Die Hexe von Paris
Stadt angekündigt – nein, du kannst mich nicht täuschen – sie hat es endlich benutzt, du kleine Zauberin. Stehe auf, ich möchte dich umarmen, kleine Philosophin, denn du hast dich als würdig erwiesen, eine der Unseren zu sein, trotz deines Milchgesichtes und deiner nutzlosen Hände.« Während ihres höhnischen Redeschwalles hatte ich die Kaffeetasse abgestellt. Jetzt stand ich auf und ließ mich an ihren parfümierten Busen drücken.
»Ah, du gleichst einem Gemälde!« rief sie aus, und sie hielt mich auf Armeslänge von sich, um mich gebührend zu bewundern. Ihr Blick ließ mich fühlen, wie malerisch ich geworden war. Mir fehlt nur noch ein Affe in Seide an einer Kette, dachte ich.
»Mein köstlichstes Geschöpf. Und schreibst auch Griechisch! Ein elegantes Flair, darf ich behaupten! Kommt, meine Lieben, alle miteinander, ihr werdet zusehen, wie heute abend ein Skelett aufgestellt wird. Ich habe auf dem Wege hierher den Draht und die Stifte geholt. Nicht alle eignen sich dafür, müßt ihr wissen.«
Der Korb, viel zu groß für ein wenig Draht und ein paar Stifte, enthielt auch Verpflegung für die lange Nacht: Kuchen und Wein, gebratene Kapaune, mit Kastanien gefüllt, und Dampfwürste mit soviel Knoblauch, daß einem die Tränen kamen. Als es dunkelte, befahl La Trianon, die beiden schmiedeeisernen Kronleuchter unter der hohen Decke des Laboratoriums herabzulassen und die Kerzen anzuzünden. Im Lichte von Dutzenden flackernder Kerzen und des gelbroten Scheins des Feuers arbeiteten die Frauen unermüdlich, bis die Gefäße mit Pökelsud gefüllt und versiegelt waren. Als sie mit Einkochen fertig waren, stapelten sie die Gefäße säuberlich auf den Borden, wischten sich die Hände an ihren Schürzen ab und trugen das Festmahl auf. Der Deckel des großen Kessels über dem Feuer schlug klappernd und hüpfend den Takt zu ihren Liedern, indes sie die Flaschen herumreichten. Als sich am Osthimmel das erste Rosa der Morgendämmerung zeigte, hatte ich nicht nur gelernt, wie ein Skelett zusammengebaut wird, sondern auch erfahren, daß La Voisin über einen noch größeren Vorrat an schmutzigen Balladen verfügte als die unanständigsten Seeleute. Als die neue Errungenschaft, noch feucht, in der Nische neben dem Vorhang aufgestellt war und wir uns zum Gehen anschickten, seufzte La Trianon selig und verdrehte die Augen gen Himmel: »Endlich ist mein innigster Wunsch in Erfüllung gegangen, ein Abbild des Todes zur ständigen Erbauung meiner Seele vor mir zu haben.« La Voisin verdrehte die Augen in einer noch übertriebeneren Nachahmung von Frömmigkeit und bekreuzigte sich, worauf die beiden Hexen in schallendes Gelächter ausbrachen.
»Meine Güte«, rief La Dodée, »ich bin überzeugt, er hat niemals besser ausgesehen.«
»Jeder ist so schön, wie er kann«, entgegnete ich, indes ich meinen Umhang und meinen Hut vom Haken an der Wand nahm. An diesem Morgen ging ich zu Bett und schlief den Tag und die folgende Nacht über, und ich hatte nicht einen einzigen Traum.
KAPITEL 28
A n einem der heißesten Tage im Sommer trat d'Urbec so plötzlich wieder in Erscheinung, wie er verschwunden war. Die Stadt schien von allen verlassen, die Armen ausgenommen. Wer von den Erlauchten mit dem Kriege zu schaffen hatte, war an der Front – die übrigen hatten sich auf ihre Landgüter zurückgezogen. Dieses Mal schickte er ein Billett, bevor er an meiner Türe erschien.
»Guten Tag, Madame de Morville, wie geht das Geschäft der Wahrsagerei?« Der Mann, den Mustafa hereingeführt hatte, war wie ein jansenistischer Geistlicher gekleidet, mit schlichter Perücke und breitem Filzhut, das Habit dunkel, schmucklos und staubig von der Reise.
»Sehr schleppend, Monsieur d'Urbec. La Montespan bekleidet wieder den höchsten Rang, somit haben die Geschäfte bei Hofe betrüblich nachgelassen. Darf ich Euch eine Limonade anbieten – oder ist Euch Wein lieber? Hattet Ihr eine weite Reise?« Ich läutete nach Sylvie, indes wir in meinen besten Lehnstühlen Platz nahmen.
»Ich war außer Landes«, gab er zur Antwort. »Es tut gut, wieder anständig gesprochenes Französisch zu hören.« Mustafa fächelte sich emsig und gab vor, nicht zu lauschen.
»Es wird Euch freuen zu vernehmen, daß niemand von Stand mehr mit Monsieur Brissac spielen will. Er muß sich auf die billigsten Spielhöllen beschränken.«
»Das habe ich gehört, Madame. Ich hörte außerdem, daß er einen Anschlag auf Euer Leben verübt hat.« Sein Blick ruhte auf
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