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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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bestellt ist wie im Reiche Eurer Majestät, ist dieses Talent zumeist überflüssig –«, des Königs Augen umflorten sich vor Langeweile ob dieser Schmeichelei, »wenngleich ich im Ausland damit vielleicht mein Glück machen könnte.« Des Königs Augen blitzten tückisch-vergnügt.
    »Primi, was meint Ihr, wo sich dieses Geheimnis mit dem größten Profit verkaufen ließe? In Mailand?«
    Primi, der schräg hinter Seiner Majestät stand, lächelte erfreut bei der Erwähnung seiner Heimatstadt und erwiderte: »Besser in Rom, Majestät.« Die Umstehenden schwiegen ob dieser Verwegenheit. Der König jedoch kicherte wohlwollend. Der Klang der königlichen Stimmbänder ließ alle Höflinge in ähnliche Laute der Belustigung ausbrechen. Als der König sah, wie rasch die Stimmung der Höflinge sich wandelte, lachte er abermals, dieses Mal über sie, und verfolgte dann, wie das Lachen im Raum immer weitere Kreise zog, bis es selbst diejenigen erreichte, welche den kurzen Wortwechsel unmöglich gehört haben konnten. Der König amüsierte sich. Alles war gut.
    »Nun, Madame de Morville, Primi sagt uns, Ihr vermögt vorauszusagen, welche Karte gezogen wird, und andere Wunder der Zukunft zu nennen.«
    »Das ist richtig, Majestät, und aus diesem Grunde spiele ich niemals Karten, obwohl es meine Lustbarkeiten schmerzlich beschneidet.«
    »Man denke nur, keine Karten! Solltet Ihr Euch jemals wieder vermählen, Madame, wird Euer Gemahl Euch für einen Schatz halten. Bedenkt nur die Einsparungen, Primi! Wir sollten es vielleicht unter den Damen in Mode bringen.«
    »Ah, aber, Majestät, so mancher würde sagen, es ist der harmloseste Zeitvertreib, den die Damen sich vergönnen«, erwiderte Visconti mit verschlagenem Lächeln.
    Und so las ich unter allgemeiner Heiterkeit aus der Vase und sagte voraus, welche Karte gezogen werden würde, ein Trick, den ich im Laufe der Jahre in den Pariser Salons vervollkommnet hatte. Ich ließ einen Herrn mischen, einen anderen geben und den König selbst die Karten anschauen. Es rief Beifall und Erstaunen hervor, und man erklärte, ich sei sogar besser als die Magier auf der Foire St. Germain, und das, obwohl ich nur eine Frau sei.
    »Primi unterhält uns, indem er den Charakter aus der Handschrift liest«, sagte der König. »Ich schlage einen Wettstreit zwischen dem Meister und der neuen Rivalin vor.« Er wandte sich mit höflicher Miene Visconti zu, der vor Ärger rot geworden war.
    »Monsieur Primi gebührt die Meisterschaft«, erwiderte ich, »denn ich verstehe mich nicht auf Graphologie. Daher schlage ich für diesen Abend ein Gemeinschaftswerk vor. Gelegentlich kann ich im Glase das Bild des Verfassers eines Briefes sehen, selbst wenn das Schreiben versiegelt und keine Schrift zu erkennen ist. Ich erbiete mich, den Verfasser eines versiegelten Briefes zu beschreiben, danach kann Monsieur Visconti ihn öffnen und den Charakter des Schreibers deuten.«
    »Glänzend, glänzend, ein fürtreffliches Spiel«, murmelten die Höflinge. Mit amüsierter Miene wies der König einen Adjutanten an, einige Briefe aus seinem Kabinett zu holen.
    Seine Majestät reichte mir eigenhändig den ersten Brief, nachdem er ihn zuvor gelesen und lächelnd wieder zusammengefaltet hatte.
    Dieses Spiel war schwieriger als das mit den Karten. Ich drückte den Brief mit einer Hand an die Vase und umschloß mit der anderen den Fuß des Glases. Ich atmete tief, um ruhig zu werden, und mit diesem merkwürdigen Gefühl der Entspannung, welches das Bild emporsteigen läßt, blickte ich tief in das Wasser. Ich sah einen aufgeputzten kleinen Mann, dick geschminkt, mit einer immensen, elegant gelockten Perücke. Er trug Schuhe mit Absätzen von erstaunlicher Höhe. Er suchte sich soeben bei einem Damenschneider, der eine Anzahl Zeichnungen in die Höhe hielt, ein Ballkleid aus. Es war Monsieur, des Königs Bruder.
    »Majestät, der Schreiber dieses Briefes war Duc d'Orléans.«
    Ehrfürchtiges Gemurmel erhob sich. Primi Visconti entfaltete den Brief. Seine Miene war verärgert.
    »Da er unterschrieben ist, Majestät, besteht kein Zweifel an der Herkunft des Briefes. Meine Deutung wäre überflüssig. Laßt mich den nächsten Brief nehmen.« Mit einem seltsamen Lächeln händigte der König ihm den nächsten Brief aus, nachdem er zuvor die untere Hälfte so gefaltet hatte, daß die Unterschrift nicht zu sehen war. Visconti betrachtete blinzelnd das Schreiben, spähte bald hierhin, bald dorthin. Er verstand es vortrefflich, sich

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