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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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finden. Ich benutze mein Talent, um Damen aus guter Familie zu beraten, was die Zukunft für sie bereithält. Ich Ärmste«, klagte ich, »was einst eine harmlose Zerstreuung meiner Jugend war, ist jetzt der traurige Unterhalt meines Alters. Und doch kann ich Euch versichern, da Ihr Euch so abschätzend umschaut, durch die Güte ebendieser Damen ist es mir möglich, mir die einfachen Annehmlichkeiten zu vergönnen, um nicht unter meinen Stand zu sinken.« Blitzschnell wandte sein Kopf sich mir wieder zu – er hatte gedacht, ich hätte nicht bemerkt, wie er meine Gemälde, die Möbel, das Silber auf dem Buffet mit dem Auge eines routinierten Schätzers begutachtete.
    »Dies alles – kommt einzig von der Wahrsagerei?« fragte er.
    »Hauptmann Landart, Ihr seid offensichtlich lange Zeit an der Front gewesen, sonst wüßtet Ihr, daß die Wahrsagerei in Paris mit jedem Tag mehr in Mode kommt. Man ruft mich, um verlorene Gegenstände aufzufinden, Verstecke von Liebhabern aufzuspüren, über Verlöbnisse zu beraten und für tausend andere Dinge. Ich wäre eine Törin, würde ich meine Zeit auf weniger einträgliche oder auf riskantere Dinge verschwenden.« Er trat näher, als wollte er mir eine Frage stellen, doch da klopfte es abermals an die Türe.
    »Ich bitte vielmals um Vergebung – meine Besuchszeit scheint ausgefüllter, als ich dachte. Wünscht Ihr, daß ich das Glas für Euch befrage, Hauptmann?« Mustafa führte einen Lakaien in anonymer grauer Livree herein.
    »Madame de Morville«, verkündete der Lakai, »mein Gebieter schickt Euch dieses Schmuckstück mit seinen tiefst empfundenen Entschuldigungen und seiner glühendsten Hoffnung auf Erneuerung jener zärtlichen Gefühle, die Euch einst mit ihm verbanden.« Bevor ich antworten konnte, daß ich nicht einmal einen Gruß des Duc de Brissac entgegennähme, hatte er schon eine mit erlesenen Einlegarbeiten versehene Rosenholzschatulle aus einem Stück gewachster Seide gewickelt, auf mein Kaminsims gestellt und sich eilends entfernt. Mir fiel auf, daß er die Schatulle nicht mit bloßen Händen berührt hatte.
    »Nicht schon wieder«, murmelte ich vor mich hin. »Der Mann muß mich für eine Idiotin halten.«
    »Ihr habt gesprochen, Madame?«
    Ich ließ von der Betrachtung der Schatulle ab und wandte mich Desgrez zu. »Nur laut gedacht, Hauptmann – äh, Landart. Sagt, wünscht Ihr, daß ich Euch im Glase wahrsage?« Ich wußte, meine Frage könnte ihn möglicherweise vertreiben. Die meisten Männer leiden es nicht, wenn man ihnen wahrsagt; sie halten es für weibischen Aberglauben der schlimmsten Art. Physiognomie, Graphologie und Waffenbalsam gelten jedoch als Wissenschaft, sind entsprechend männlich und haben nicht das geringste mit Aberglauben zu tun. Desgrez war offensichtlich ein Mann der Wissenschaft. Er wurde rot im Gesicht und fuhr sich mit dem Finger unter den Kragen, als müsse er vor Ärger ersticken. Ah, wäret Ihr wahrhaftig ein Wissenschaftler, Desgrez, Ihr würdet Euch wahrsagen lassen, genau wie Ihr mit Madame de Brinvilliers das Bett geteilt habt.
    »Nicht jetzt. Die Anschrift genügt mir. Wünscht Ihr eine Vergütung?« Nein, er schwebte zwischen Aberglauben und Wissenschaft. Er möchte, daß ich ihm wahrsage, und wagt es nicht zu fragen. Er will mich auf die Probe stellen, will beweisen, daß ich eine Schwindlerin bin. Aber was, wenn ich keine bin?
    »Eine Vergütung verlange ich nur für Wahrsagen, Monsieur.« Beiläufig, wie um seine Gefühle zu verbergen, schlenderte er zum Kaminsims und befingerte die Schatulle; er schien im Begriff, sie zu öffnen.
    »Um Gottes willen, nicht berühren!«
    Der furchtsame Klang meiner Stimme veranlaßte ihn, sich umzudrehen und, als müsse er sich verteidigen, zu sagen: »Madame, es ist ein erlesenes Präsent. Vergebt mir meine Neugierde. Das Schmuckstück darin muß fabelhaft sein.«
    »Fabelhaft fürwahr, Hauptmann. Wie so viele Geschenke der Erlauchten.« Er starrte mir ins Gesicht. Was er über mich entschieden hatte, erschien mit einem Mal zweifelhaft. »Laßt uns beide unsere Neugierde auf Brissacs Kostbarkeit stillen«, sagte ich. Ich ging zu meinem Tisch und entnahm einem Schubfach meine Handschuhe und einen Rührstab – den aus Stahl. Ich zog die Handschuhe an, nahm die Schatulle vorsichtig vom Kaminsims, drehte sie so, daß der Verschluß von mir abgewandt war. Dann stellte ich sie auf die Steine des Kamins und ließ mit der Spitze des Rührstabes den Verschluß aufschnappen.
    »Merkwürdige

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