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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Madame. Ich will die Wahrheit wissen. Antwortet mir aufrichtig, und ich gewähre Euch eine Pfründe von zweitausend Livres. Versucht Ihr, mich zu täuschen, lasse ich Euch auf der Place de Grève verbrennen.« Ich sah ihn an. Ein Betrag von zweitausend Livres war nicht zu verachten, aber ich nahm mehr als zweitausend Livres im Monat ein. Die Annahme seiner Großzügigkeit erschien mir ein äußerst übertriebenes Opfer. Dennoch, die andere Möglichkeit war schlechter. »Wie alt seid Ihr wirklich?« fragte er.
    »Majestät, ich bin neunzehn Jahre alt.« Er wirkte überaus erleichtert.
    »Und Euer wirklicher Name, Eure Herkunft?«
    »Mein Name ist Geneviève Pasquier, ich wurde hier in Paris geboren. Mein Vater war der Financier Mathieu Pasquier, der 1661 sein Vermögen verlor. Er starb, ohne mir eine Mitgift zu hinterlassen, und seither verdiene ich meinen Lebensunterhalt mit meinem Verstand.« Des Königs Augen verengten sich. Er schätzte keine Namenlosen. »Auf Seiten meiner Mutter ist die Familie mit den Matignons verwandt.« Auf diese Kunde wandelte sich sein Blick, und seine Augen zeigten echte Neugierde.
    »Warum ersucht Eure Mutter nicht um eine Pfründe, um ihre Tochter vor dem Sturz in die Schande zu bewahren?«
    »Majestät, sie ist tot.«
    Der König sann einen Augenblick nach. »Sagt mir, wer ist Euer Spitzel, der Euch über meine Briefe und meine Angelegenheiten unterrichtet?«
    »Niemand, Majestät. Im Verlaufe meiner Wahrsagerei erfahre ich viele Geheimnisse von Frauen, aber sie handeln von Liebe, nicht von Staatskunst.«
    »Ja, ja, so muß es wohl sein.« Er schritt auf und ab und murmelte vor sich hin. »Ihr bleibt dabei, daß Ihr keine Ahnung habt, wer den Brief geschrieben hat?«
    »Ja, Majestät.«
    »Dann seht her.« Er hielt den Brief kurz in die Höhe, so daß ich die Unterschrift sehen konnte. Er war von dem protestantischen Fürsten Wilhelm von Oranien, Statthalter in den Niederlanden, Ludwigs XIV. größtem Feind und Rivalen. Ich erhaschte nur einen Blick darauf, bevor er den Brief wieder in seine Tasche steckte, doch es war deutlich, daß es eine Absage an den König war, der ihm seine mit Madame de Montespan gezeugte Tochter zur Braut angeboten hatte. Der Satz, auf den mein Blick fiel, lautete: »Die Fürsten von Oranien sind gewohnt, die ehelichen Töchter großer Fürsten zu heiraten, nicht deren Bastarde.« Ach du meine Güte.
    »Die Frau, die Ihr beschreibt, kann niemand anders sein als Prinzessin Maria von England, die sowohl für ihre Schönheit als auch für ihre Größe berühmt ist.« Noch schlimmer. Es ging das Gerücht, daß der König die englische Prinzessin für seinen Erben, den Dauphin gewünscht hatte, um so seinem Machtbereich ein weiteres Königreich einzuverleiben und es in den Schoß der katholischen Kirche zurückzuführen. Der König sah mir ins Gesicht. »So, jetzt scheint Ihr zu verstehen. Entweder seid Ihr die unverschämteste Frau in diesem Königreich, oder Ihr habt richtig vorausgesagt, daß mein schlimmster Feind eines Tages König von England wird.« Einerlei, für mich bedeutet es Ungemach, dachte ich. »Wie dem auch sei«, fuhr er fort, »Ihr verdient, zeit Eures Lebens eingesperrt zu werden. Aber ich habe Euch eine Pfründe versprochen. Jetzt sagt mir aufrichtig, phantasiert Ihr, was Ihr im Wasserglas zu sehen behauptet?«
    »Majestät, die meisten Wasserwahrsagerinnen sind Schwindlerinnen. Es ist ein leichtes, eine Komplizin zu plazieren, die geheime Handzeichen über die Personen gibt, welche ihre Hände auf das Glas legen. In meinem Falle jedoch steigen die Bilder aus dem Wasser empor wie kurze Träume, die aus Bruchstücken von Spiegelbildern zusammengesetzt sind. Ich deute sie, so gut ich kann, ganz so, wie man Bilder in den Wolken zu sehen vermag. Und ich muß Euch auch sagen, daß meine Bilder durch Opium verstärkt werden.« Er nickte, als würde letzteres alles erklären. »Meistens ergeben die Bilder keinen Sinn, und ich deute sie meiner Klientel zu Gefallen.«
    »Und ist vorhin Eure Voraussage durch Deutung zustande gekommen?«
    »Nein, Majestät. Ich habe die Szene gesehen: den Mann, die Frau, den Priester, die Trauzeugen.«
    »Dann habt Ihr Eure Pfründe verdient, Mademoiselle Pasquier, denn Ihr hattet mein Versprechen, das Versprechen eines Königs. Doch wenn mir jemals wieder zu Ohren kommt, daß Ihr durch einen Blick ins Wasser politisch geartete Voraussagen macht, lasse ich Euch zeit Eures Lebens im Pignerol einsperren. In Isolierhaft. Und

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