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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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ihrem Zauberbuch, sie rief Astaroth mehrere Male an, aber er erwies sich als ziemlich störrisch. Mittlerweile hatte der erstickende Rauch aus den Kohlenbecken den ganzen Raum erfüllt. Die Milords schwitzten und würgten.
    »Mutter, Ihr müßt ihn bei Luzifer, seinem Gebieter, beschwören –« Hierauf reckte der auf Orgien versessene Milord den Kopf. Buckingham zog sein Schnupftuch hervor und hielt es sich zum Schutz gegen den Rauch vors Gesicht.
    »Noch nicht. Es ist zu gefährlich. Einmal noch.« Die Schattenkönigin las abermals: »Ich rufe dich an und beschwöre dich, o Geist Astaroth, und gestärkt mit der Macht der allerhöchsten Majestät, befehle ich dir strengstens bei Baralamensis, Baldachiensis, Paumachie, Apoloresedes und den allermächtigsten Fürsten Genio, Liachide, Abgesandte der Unterwelt, Oberfürsten des Siegels von Apologia in der neunten Region –«
    Mir war furchtbar übel. Eine böse Vorahnung quälte mich. Marie-Marguerite fiel auf die Knie. La Voisins Haare, die sich über ihre scharlachrote Robe breiteten, schienen lebendig wie Schlangen. Mit einer gebieterischen Geste hob sie die Hand, die einen Stab hielt.
    »Erscheine!« rief sie.
    »O mein Gott, ich sehe es!« rief der pummelige blonde Milord. »Ein infernalisches Weib – aus ihren Fängen tropft Blut!«
    »Ungeheuerlich, oh, ungeheuerlich – dieses Entsetzen –« Der zweite Milord fiel in dem Kreis auf alle viere und zerrte an seinem schwarzen Gewand.
    »Ein König – ein König in einem Triumphwagen aus Flammen – mit Menschenköpfen behängt –«, flüsterte Buckingham.
    »Erscheine in schicklicher Menschengestalt –«, sang La Voisin weiter.
    »Mutter, Mutter, der Kreis – er hat ihn durchbrochen, wie er so umeinanderkriecht –« Marie-Marguerites Stimme hatte einen dringlichen Klang. Aber La Voisin sang weiter, erregt, und beachtete sie nicht.
    Ich glaubte, in den Schatten etwas erkennen zu können. Meine Gliedmaßen kribbelten und schmerzten. Der Rausch ließ allmählich nach. Aber ich schwitzte, mein Inneres brannte. Mir war entsetzlich übel. Herrgott, schaffe mich hinaus aus diesem stickigen Zimmer mit den Verrückten und den Fremdlingen. Hätte ich nur mein Labsal – als mir dieser Gedanke durch den Kopf schoß, wurde mir bewußt, daß ich seit gestern abend kein Opium zu mir genommen hatte. Schlaff hob ich eine Hand und betastete mein taubes Gesicht. Mein Kopf schmerzte fürchterlich. Die sich im Kreis befanden, wanden sich auf der Erde zu Füßen der Schattenkönigin, die, den Stab in der Hand, aufrecht stand.
    »Offenbare dich, Dämon. Fahre in den Leib der Frau außerhalb des Kreises und sage deinen Namen.«
    Der Rauch hatte sich nun auf Bodenhöhe gesenkt, wo ich ihn einatmen konnte. Opiumrauch mit dem bitteren Aroma übelriechender Kräuter durchsetzt. Als ich ihn in tiefen Zügen einatmete, dachte ich, nicht genug, verflucht. Genug, um alle anderen im Raum vollkommen verrückt zu machen, und nicht genug, meine innere Qual zu stillen.
    » – nimm sie, fahre in sie, benutze sie, beherrsche sie. Nimm dieses Opfer an, o Astaroth. Nimm ihren Geist und ihre Seele, gib ihr die Macht, gib ihr –«
    »Nein!« ertönte ein Schrei aus dem Kreis. La Voisin blickte entsetzt. Sie hatte endlich die Bruchstelle im Kreis bemerkt. Sylvie wand sich mit fliegenden Haaren auf der Erde. Aus ihrem Munde knurrte eine Baßstimme: »Hier bin ich. Was ist dein Begehr?«
    »Nimm die dir geweihte Seele in Besitz und verlasse diesen Kreis«, befahl La Voisin und griff zu dem Schwert, um den durchbrochenen Abschnitt neu zu ziehen.
    »Ich will sie nicht.«
    »Was soll das heißen, du willst sie nicht? Sie wurde eigens für dich bereitet. Dämonen wollen immer Seelen.« La Voisin war erbost.
    Buckingham hatte seine Fassung wiedergefunden. Er angelte sein Lorgnon unter seinem Gewand hervor. Er betrachtete Sylvie durch das Glas und sagte: »Wunderbar.«
    »Was bietest du mir für eine unwürdige, lumpige Seele? Ein dummes, überhebliches Mädchen, das nicht an den Teufel glaubt und sich Rechnungsbücher hält statt Liebhaber?« Sylvies Stimme tönte tief und voll. Ungerecht, dachte ich. Das ist Sylvies Art zu denken. Der Dämon in Sylvie fuhr fort: »Ich will diese schöngestaltete Frau hier, die weiß, was sie verlangen muß, wenn der Teufel um sie wirbt: Paläste, Kleider, Liebhaber, Verdammnis! Ich habe die richtige Frau genommen, nicht die kaltblütige Philosophin, die nicht genug Blut und Knochen für ein anständiges Mahl

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