Die Hexe von Paris
sie Euch bald beistehen werden«, erwiderte La Voisin seelenruhig. Dann wandte sie sich mit einem seltsamen Lächeln an mich. Das kleine V, zugespitzt, die Augen gütig. »Meine liebe Marquise, darf ich Euch die Überwachung der Arbeit der Dummköpfe in meinem Salon übertragen? Die Fenster müssen mit Pech abgedichtet werden. Ich wünsche keine übersehenen Ecken. Gebt acht, daß die Diener mein Schreibpult nicht beschädigen, wenn sie es durch die Türe tragen, Blattgold zu ersetzen ist sehr kostspielig. Die Leuchter in den Ecken des Raumes müssen exakt dieselben Abstände haben, und die Statuen und die Front des Schrankes mit den Figurinen müssen mit schwarzen Tüchern verhängt werden. Ah, gut – ich bin Euch so dankbar, Madame.« Sie befahl Marie-Marguerite zu sich, und ich hörte sie sagen, als alle im Kabinett verschwanden: »Meine Tochter, Adeptin der höheren Mächte – vor langer Zeit dem Dämon geweiht – Reichtum und Macht – Euer Ersuchen ist ein leichtes für einen so hochstehenden Fürsten der Hölle –«
»Ja, ja –«, hörte ich Buckingham sagen, das Weitere konnte ich nicht verstehen, da sich die Türe des Kabinetts hinter ihnen schloß. Was für ein Ersuchen? Ich mußte es wissen. Jetzt muß ich der langweiligen Zeremonie beiwohnen, um es zu erfahren, dachte ich. Und welchen Zinnober würde La Voisin ihm diesmal auftischen? Wer sie kannte, wußte, daß ihre Geheimnisse viele Häute hatten wie eine Zwiebel. Gelegenheitskunden bekamen stilvollen Hokuspokus serviert. Tarot. Seltsame Gegenstände, in Kerzenflammen verbrannt. Stammkunden bekamen Pulver, die in der schwarzen Messe unter dem Kelch hergestellt waren, das Verbrennen des Reisigs, Messen für Sankt Rabboni. Und die vertrauenswürdigsten Klienten bekamen die Geheimnisse des Zauberbuches und die schwarze Messe. Verflucht, dieser lästige Polizeimensch. Dies würde die halbe Nacht dauern, und ich wäre lieber zu Hause bei Florent.
Endlich war das unter meiner Aufsicht ausgeräumte und abgedichtete Zimmer bereit. Die Leuchter an den Wänden wurden mit schwarzen Kerzen bestückt, die schweren Brokatvorhänge vor die hohen Fenster gezogen. Die verbliebenen Möbel wurden mit schwarzen Tüchern verhängt und nahmen gespenstische Formen an. Auch die Gesichter der Muttergottes und der vielen kleinen Cherubim auf dem Bord waren mit schwarzen Tüchern verdeckt. Die schwarz gekachelte Mitte des Fußbodens, sonst stets unter dem Teppich verborgen, war sauber geschrubbt und spiegelte das Glitzern der Kerzenflammen wider. Marie-Marguerite, noch recht blaß und angegriffen, aber anscheinend in Gnaden wieder aufgenommen, erschien in der offenen Türe.
»Ist das Zimmer bereit? Gut. Mutter ist angekleidet.« Die Worte klangen irgendwie bedrohlich. »Sie wünscht Euch vor der Zeremonie in ihrem Kabinett zu sehen. Sylvie und ich kommen gleich nach, wenn wir uns umgekleidet haben.«
In Madames Kabinett traf ich auf zwei schaudernde Milords, angetan mit Gewändern, die wie übergroße, schwarz gefärbte Bettlaken anmuteten und mit schwarzen Kordeln um ihre Mitte gebunden waren. Sie hatten kabbalistische Zeichen auf der Stirn, ihre Pupillen waren groß und glitzernd. Rauschmittel, dachte ich. Sie werden mit Sicherheit Erscheinungen haben.
Eine kleine Schale mit Asche stand neben dem Tintenfaß auf dem Schreibpult. Ich sah ein Pergament mit gezeichneten schwarzen, seltsamen Figuren und Ziffern. In der Mitte standen eine Flasche Likör, mehrere kleine Gläser und ein Teller mit buntem Marzipan. Wie eine Kaiserin saß Madame in ihrem brokatenen Lehnstuhl. Um die Schultern hatte sie ein Robe aus scharlachrotem Samt, wie eine Dalmatika geschnitten, reich in Gold mit Hunderten von doppelköpfigen Adlern mit ausgebreiteten Schwingen bestickt. Darunter trug sie einen Rock aus meergrünem Samt mit reichem Spitzenbesatz. Ihre Füße steckten in scharlachroten Samtpantoffeln, ebenfalls mit doppelköpfigen Adlern in Gold bestickt. Auf ihrem Kopf saß eine mit Totenköpfen verzierte Krone.
»Nehmt Platz, meine Liebe. Wir haben eine arbeitsreiche Nacht vor uns, und Ihr wißt, es ist mir zuwider, ohne eine kleine Stärkung ans Werk zu gehen.« Ich sah genau hin, als sie den Likör in die Gläser schenkte. Ein jedes war sauber, sie selbst nahm auch eines. Gut, er war nicht mit Rauschmitteln versetzt. Die Milords hoben ihre Gläser. Ich desgleichen. Das Marzipan wurde herumgereicht, mein liebstes Naschwerk. Einige Stückchen waren wie Birnen, Äpfel und Kirschen
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