Die Hexe von Paris
hat.«
»Ich sage«, sprach Buckingham dazwischen, »befolgt den Rat des Dämons und belästigt ihn nicht weiter. Das ist wahrlich eine Frau, hihi –« Er spähte wieder durch sein Lorgnon. »Der Dämon hat einen guten Geschmack.« Ich fand die Milords über die Maßen widerwärtig, wie sie so die Sensation, für die sie bezahlt hatten, beglotzten.
»Ich beschwöre dich im Namen des Satans Beelzebub, verlasse den Kreis –«
»Der Satan hat sich in Geschäften nach Konstantinopel begeben«, verkündete Sylvie mit ihrer neuen tiefen Stimme. »Ich bin es, der über Paris herrscht. Ich habe diese Frau genommen. Sie hat die Macht. Betet sie an. Ich bin in ihr.« Ich konnte nicht umhin, Sylvies Dreistigkeit zu bewundern. Auch La Voisin sah, was sie getan hatte. Wütend begann die Schattenkönigin zu husten. Von dem Rauch überwältigt, verließen die Milords die Kräfte, und einer wurde ohnmächtig. Verzweifelt stimmte La Voisin den Gesang zur Entlassung des Dämons an, doch Sylvie blieb standhaft und knurrte wie ein erboster Wolf.
» – ich gestatte dir, dich zurückzuziehen, wohin du es für gut befinden magst, doch es sei ohne Lärm und ohne Hinterlassung eines üblen Gestankes –«
»Niemals!« schrie Sylvie. »Ich, Astaroth, habe meine Wahl getroffen!« La Voisin sprengte etwas in die brennende Masse in der Messingschale, worauf dichter weißer Rauch aufstieg. Sylvie sank schwer atmend starr auf die Erde, und meine Augen begannen zu tränen. Das letzte, woran ich mich erinnerte, bevor ich das Bewußtsein verlor, war La Voisin, die sich über mich beugte, die schwarzen Augen wutentbrannt.
»Wie kannst du es wagen, wie kannst du es wagen! Nicht einmal der Dämon wollte dich haben, du fürchterliche, kaltblütige – Maschine, du! Du bist nicht einmal eine Schlange an meinem Busen – ich habe ein verdammtes Uhrwerk genährt!«
KAPITEL 32
E s ist ganz einfach«, erklärte Florent am nächsten Morgen, während er Kaffee in zwei Tassen schenkte. »Du hast dich an Opium gewöhnt, wie die italienischen Fürsten sich an Gift gewöhnen – Tropfen für Tropfen. Sie können nicht ermordet werden, und du kannst nicht besessen werden. Alle anderen hatten Halluzinationen, und du saßest nur da und warst verärgert über die schlechte Beschaffenheit des Rauschmittels.«
Ich saß in meinen Morgenrock gekuschelt. Mein Kopf tat noch höllisch weh. Ich hatte schwarze Ringe unter den Augen und merkwürdige Schwellungen am ganzen Körper, als sei ich von einem unsichtbaren Tier gebissen worden. Trotz einer gründlichen Wäsche konnte ich den Schlamm von Paris noch an mir riechen und die Panik noch spüren, welche die erstickenden Rauchwolken in dem abgedichteten Raum in mir erzeugt hatten. Soweit ich wußte, waren alle noch dort. Sylvie war nicht nach Hause gekommen. Florent hatte mich in den frühen Morgenstunden gefunden, wie ich durch die Straßen von Bonne Nouvelle irrte. Aber Kaffee, Kaffee heilt alles. Ich dachte über Florents Erklärung nach. Sie hatte durchaus etwas für sich.
»Aber Opium erklärt nicht alles, Florent. Ich meine, daß Besessenheit von dem Wunsch zu glauben bestimmt ist. Montaigne sagt, der Glaube kann den Körper gesund oder krank machen – warum soll man nicht ›besessen‹ hinzufügen können?«
»Hmm. Das klingt vernünftig. Aber welcher Mensch kann so dumm sein, daß er sich wünscht, besessen zu sein?«
»Ich nicht«, erwiderte ich. Er schenkte noch Kaffee ein.
»Mustafa«, rief er, »du hast einen Fehler gemacht. Du hast nur zwei Tassen gebracht. Du mußt noch eine bringen und mit uns trinken. Wenn du nicht aus dem Hause geflohen wärst und mich geholt hättest, wäre deine Gebieterin womöglich tot.«
»Mit Bedienten trinken erzeugt Vertraulichkeit«, sagte der kleine Mann, als er die dritte Tasse brachte und auf einen Stuhl kletterte.
»Kaffee zählt nicht, Mustafa. Und was würdest du von einem Mann von solch fragwürdigem gesellschaftlichem Rang anderes erwarten?« Etwas Starkes, Belebendes ging von Florent aus. Von der Art, wie er schwungvoll den Kaffee einschenkte, wie er aufstand, um eigenhändig das Fenster zu öffnen und die kalte, frische Luft einzulassen, indes ich den schmutzigen Rauch der vergangenen Nacht aus meinen Lungen hustete.
»Soso, Mustafa, Sylvie ist vermutlich noch bei Madame Montvoisin und verkündet dämonische Orakel. Aber wohin ist Gilles gegangen?«
»Sie holen, glaube ich«, sagte Mustafa. Er trank einen Schluck Kaffee.
»Er liebt sie, nicht wahr?«
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