Die Hexe von Paris
über, den kratzigen Schal, den langen weißen Schurz, und befestigte den schlichten Rosenkranz an meiner Taille. Es sah wirklich nicht schlecht aus, befand ich. Astaroth wußte freilich nicht, daß ich zu Madame de Montespan ging.
»Astaroth sagt, wenn Ihr vom Châtelet zurückkehrt, müßt Ihr zu Madame gehen, seiner getreuen Dienerin.«
»Sage Astaroth, daß Mademoiselle Pasquier kein Bedürfnis hat, noch einmal Gift ausgesetzt zu werden. Madame kann hierherkommen, wenn sie über Geschäfte zu sprechen hat.«
»Astaroth hat zu Madame gesagt, sie muß Euch huldvoll empfangen. Astaroth wird Euch begleiten und auf Eure Sicherheit achten. Astaroth spürt große Wandlungen in der Welt. Große Gefahren für die Gläubigen.«
»Sylvie, wann wirst du diesen Astaroth leid werden und ihn vertreiben?«
»Astaroth würde zürnen, wüßte er nicht, daß Ihr eine Törin seid. Gehorche Astaroth, Sterbliche, und Sylvie darf den Leib wieder besitzen.« Sylvies Stimme nahm einen tiefen, knurrenden Baß an, da der Dämon unmittelbar durch sie sprach. Ihre Augen blickten sehr seltsam, ja irre. Aber Verrückte haben mich nie bekümmert. Ich war schließlich bei einer Verrückten aufgewachsen.
Aber Gilles war bekümmert. Er sah aus, als bräche es ihm das Herz. Einmal fragte er mich: »Dieser Astaroth, er ist schlimmer als ein Geliebter. Glaubt Ihr, eine Teufelsaustreibung wäre hilfreich?«
»Zweifelsohne, Gilles«, meinte ich, »aber denke daran, Astaroth ist sehr listig. Du wirst ihn täuschen müssen, wenn du sie bewegen willst, zum Teufelsaustreiber zu gehen.«
»Ich werde daran denken, Madame. Es ist ein guter Rat.« Aber bislang hatte Astaroth uns alle drangsaliert, sogar La Voisin, die es zweifellos aus tiefstem Herzen bereute, ihn auf die Welt losgelassen zu haben.
Ich mußte im Vorzimmer von Madame de Montespans Schlafgemach warten, bis ihre Masseuse fertig war. Es dauerte sehr lange. Manche Dinge ändern sich nie, dachte ich. Selbst wenn sie in Ungnade war, ließ diese Frau jedermann warten. Endlich ging die Masseuse hinaus, und nach einer schicklichen Pause wurde ich hereingeführt. Madame de Montespan hatte ungeheuer zugenommen, und das lag nicht allein daran, daß sie ein Kind erwartete. Ein weiter Morgenrock aus goldbesticktem grünem Samt bedeckte die Fettrollen, die ihre einst berühmte Taille umgaben. Ihr Gesicht war abgespannt, Falten zeichneten die vielbesungene, elfenbeinfarbene Haut, und ihre Augen lagen eingesunken inmitten dunkler Ringe. Sie saß auf der Kante ihrer Bettstatt und sah mich an. Ihre aquamarinblauen Augen waren getrübt von monatelanger Verzweiflung und unendlichem Haß.
»Ich habe eine Rivalin«, sagte sie.
»Das habe ich vermutet«, erwiderte ich.
»Sie ist neunzehn, noch ganz frisch, und hat nie ein Kind geboren.«
»Ich war fern vom Hofe. Ich bin über nichts mehr im Bilde«, sagte ich.
»Es scheint Euch gutgetan zu haben. Ihr seht nicht mehr so bleich aus und wirkt jünger denn je. O Gott, daß ich doch wieder jung sein könnte! Ich verbringe drei bis vier Stunden täglich mit meiner Masseuse, aber nichts scheint zu fruchten. Es ist vorbei. Meine Herrschaft von Geist und Geschmack. Er hat eine lächerliche Kleine gefunden, eine Aufsteigerin mit dem Verstand einer Eselin.« Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. Dann sah sie mich an und sprach: »Aber mich wird er niemals einsperren. Das habe ich geschworen. Er wird es nicht erleben. Ich bin eine Mortemart. Verglichen mit dem Blut der Mortemarts sind die Bourbonen Emporkömmlinge. Ein Emporkömmling soll eine Mortemart einsperren? Niemals, sage ich! Selbst die Götter sind dagegen!« Sie stand auf und ging zu ihrem Lehnstuhl, der neben ihrem kleinen Schreibpult stand. »Zieht Euch den Hocker heran, holt Euer Wasserglas hervor – nur eines muß ich noch wissen: Nimmt mir diese elende, provinzielle Ignorantin den Herzoginnenrang?«
Ich stellte meine Utensilien zurecht, wie sie es verlangt hatte, und Mademoiselle des Œillets brachte eigenhändig einen Krug mit Wasser.
»Hier«, sagte Madame de Montespan, »dies habe ich von ihr genommen, als ich sie vorigen Monat geschnürt habe. Ich habe sie für den König hergerichtet. So wie La Vallière einst mich, so mußte ich nun die verhaßte kleine Mademoiselle de Fontanges schnüren. So schließt sich der Kreis, nicht wahr? Es machte mir Freude, La Vallière zu demütigen. Und es würde mir wieder Freude machen, wenn alles noch einmal geschehen sollte. Sie war eine Törin und hatte die
Weitere Kostenlose Bücher