Die Hexe von Paris
Fenster zu öffnen. Es muß etwas Wichtiges vorgefallen sein, dachte ich, sonst würde er seine Zeit nicht mit mir verschwenden. »Und setzt Euch bitte nicht auf den gepolsterten Stuhl«, fügte er hinzu. Er ist nervös, dachte ich. Ein gutes Zeichen. Er braucht mich nach wie vor. Ich sah mich in dem langgestreckten Raum um, an dessen bemalter Decke sich Nymphen und andere halb bekleidete mythologische Wesen tummelten. Ein schlichter hölzerner Schemel ohne Kissen war für Besucher von niederem Rang vorgesehen. Ich setzte mich.
»Milord Buckingham ist mit zwei Begleitern nach Paris gekommen. Ich habe erfahren, daß er in der Stadt Verbindungen hat. Heute abend wird er an einer spiritistischen Sitzung teilnehmen.« Zwei Wachtmeister in blauem Habit und roten Strümpfen standen an der in Weiß und Gold gehaltenen Türe zum Vorzimmer.
»Ja, bei Madame Montvoisin. Ich habe eine Einladung. Geister sind nicht meine Spezialität, wie Ihr wißt.«
»In jüngster Zeit scheinen Gewinnvoraussagen beim Glücksspiel und ein lockerer Lebenswandel Eure Spezialität zu sein«, bemerkte La Reynie trocken. »Diesmal erwarte ich einen vollständigen Bericht: was Buckingham wünscht, wer ihm dort Gesellschaft leistet und was die Geister verheißen. Einen vollständigen Bericht, versteht Ihr?«
»Ja, Monsieur de la Reynie«, erwiderte ich und nickte.
»Dann könnt Ihr Euch entfernen. Latour, öffne die anderen Fenster, bevor ich in dem widerlichen Fischgestank ersticke.«
Es war schon später Nachmittag, als ich den Fischgeruch abgewaschen und mein elegantestes Hofkleid angelegt hatte. Sylvie begleitete mich, auch sie in ihrem besten Staat, und Mustafa trug meine Schleppe. Ich hatte Florent versprochen, vor dem Dunkelwerden zurück zu sein, da die Geister selten mehr als eine Stunde beanspruchen. Madame verbrennt Weihrauch und singt, und Manon flüstert hinter der Tapisserie im Nebenzimmer durch ein Sprachrohr in den schwarzen Salon hinein. Die Klientel erstarrt in Ehrfurcht, die Geister reden doppelzüngig, und Madame wird gut bezahlt.
Die Milords waren schon eingetroffen und tranken Wein am Eßtisch vor dem Wandbehang. Madame saß bei ihnen und erteilte Manon Anweisungen.
»Ah, das ist sie – die liebe Marquise. Jetzt ist unsere Zahl komplett. Sylvie, du mußt dich zu Manon gesellen. Mustafa, du wartest in der Küche; unsere Mysterien sind nur für Eingeweihte.«
»Ich muß sagen«, meinte Milords pummeliger blonder Begleiter, »ich habe eine große Schwäche für dämonische Séancen. Sagt, wird eine Jungfrau geopfert?«
»Unsere Mysterien dürfen nicht sorglos preisgegeben werden«, erwiderte La Voisin mit tiefer, erregt klingender Stimme. »Ihr habt um den Beistand eines der mächtigsten Fürsten der Hölle ersucht. Es genügt, wenn Ihr wißt, daß das Opfer vollkommen angemessen ist. Astaroth steht nicht zu Diensten, wenn er nicht mit einer menschlichen Seele entlohnt wird.« Beide Milords erschauerten vor Wonne, und sogar Buckinghams abgestumpftes Gesicht leuchtete in neu entfachtem Interesse auf.
»Sagt mir, sind – orgiastische Exzesse inbegriffen?« fragte der andere Milord. Die bizarre Lust in seinen Augen verwirrte mich. »Besonders liebe ich Zeremonien ohne Bekleidung.« Ach du meine Güte, dachte ich, was La Voisin nicht alles für Geld tut. Geld und eine Zuflucht im Ausland. Man sollte meinen, bei ihrer Neigung zur Eleganz müßte es ihr gelingen, eine Zeremonie in Würde durchzuführen.
»Oh, Ihr dürft Euch entblößen, wenn Ihr es wünscht«, sagte Madame streng. »Ich aber bin die Herrscherin dieses Schattenreiches, und ich kleide mich entsprechend.«
»Blöde französische Henne«, hörte ich ihn Buckingham zuflüstern.
»Dann ist es abgemacht – wir drei sind Zeugen, und ich stelle das Gesuch an den Dämon. Was müssen wir zuerst tun?« fragte Buckingham.
»Zuerst müssen wir in meinem Kabinett eine kurze Schutzanrufung durchführen, da meine Lakaien den Salon bereits für die Zeremonie herrichten.« In diesem Augenblick erschienen zwei Bediente mit einem aufgerollten Teppich in der Türe des schwarzen Salons. »Dann muß ich die Gewänder der Macht anlegen. Bei dieser Zeremonie dürft Ihr nicht zugegen sein. Läuterung, Hingabe, sie müssen makellos sein, wenn wir Macht über den Dämon erlangen wollen.«
»Hmm – ein echter türkischer Teppich. Eure Geschäfte müssen gut gehen«, bemerkte der zweite Milord.
»Selbstverständlich. Bei jedem Vorhaben stehen mir infernalische Mächte bei, so wie
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