Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
geformt, andere wie kleine Hörner und Trommeln. Ich nahm dasjenige, das die Form eines Häuschens hatte. Zu meiner Schande muß ich gestehen, es sah etwas größer aus als die anderen, aber ich wollte nicht habgierig erscheinen, indem ich ein zweites nahm.
    Wir saßen eine Weile schweigend, was mir nur recht war, denn ich war nach den Strapazen sehr müde. Zudem langweilte der Abend mich jetzt schon.
    »Es ist Zeit«, verkündete die Schattenkönigin. »Meine Kräfte sind auf dem Höhepunkt. Der Mond ist aufgegangen. Mein Blut ist mit der mächtigen Saat entflammt.« Die Milords schauderten. »Ich werde den Kreis zeichnen.« Wie durch einen Nebel sah ich sie Schachteln und Krüge aus den Schränken nehmen, den Inhalt sorgsam abmessen und in einer großen Messingschale mischen. »Für die Kohlenbecken«, sagte sie. Opium, Johanniskraut, Alraune und wer weiß was noch. Dann entnahm sie einer Schachtel Kreide, eine geknotete Kordel und fünf Kerzen. In einer Metallkiste hatte sie einen mumifizierten Kopf. »Der Kopf eines Muttermörders«, verkündete sie.
    »Si – sind die Kerzen aus Menschenfett?« fragte ein Milord.
    »Selbstverständlich. Für eine machtvolle Zeremonie würde ich nichts anderes nehmen«, erwiderte sie. Sein Gefährte schauderte. Sie nahm ihr silbernes Glöckchen zur Hand und läutete. Zwei Lakaien erschienen schwarz gekleidet an der Türe. »Bringt das Opfer in das Gemach«, sagte sie und wies mit einer gebieterischen Geste auf mich. Jetzt merkte ich, daß ich nicht stehen konnte. Ich suchte den Kopf zu wenden, um zu sehen, was vorging, doch er wollte mir nicht gehorchen.
    »Wieviel haben sie Euch bezahlt?« versuchte ich zu krächzen, bevor meine Zunge schwer wurde und den Dienst versagte.
    »Wehre dich nicht zu sehr gegen den Rausch, meine Liebe. Du wirst sonst deine Atmung überlasten, die im Augenblick sehr geschwächt ist.« Ich konnte mich nicht rühren, um sie anzusehen. Sie beugte sich zu mir vor. »Sie bezahlen mir eine Menge, Marquise. Und du mußt wissen, daß ich mit dir nach dem Vorfall beim König kein Geschäft mehr machen kann. Und wie könnte ich dir auch trauen, nachdem La Reynie dich in Gewahrsam hatte? Dennoch, es wird sich alles zum Guten wenden.« Sie tätschelte meine Hand und lächelte. »Hat Astaroth sich erst an deinem Geiste gütlich getan, wirst du vollends verläßlich sein. Eine von uns – du solltest dich wirklich freuen.« Eure Tochter hatte recht, dachte ich. Ihr würdet alles opfern, wenn es Euch gelegen käme.
    »O ja, ich lese es in deinen Augen. Du fragst dich, wie ich dir das Rauschmittel verabreicht habe, nicht wahr? Wo du doch so vorsichtig warst? Nun, es war nicht im Likör, es war im Marzipan. Du nimmst dir immer das größte Stück.« Sie kicherte, und alles tanzte irre vor meinen Augen, als die Lakaien mich aufhoben und in dem schwarzen Gemach unter dem Fenster an die Wand lehnten.
    »Ich erblicke Satan als einen Pfeil, der vom Himmel fällt. Du bist es, der uns die Macht gab, Drachen zu zermalmen, Skorpione –« Singend zog La Voisin mit der Spitze eines großen Schwertes den äußeren Kreis gegen den Uhrzeigersinn, in der Richtung des Teufels. Marie-Marguerite und Sylvie, in enganliegende rote Gewänder gekleidet, die Haare offen unter schweren Diademen, standen hinter ihr und hielten etwas in Händen. Dann folgten der innere Kreis, mit Kreide gezeichnet, die kabbalistischen Zeichen, das Dreieck, das Siegel Salomons. Die Gehilfinnen der Schattenkönigin zündeten die Mixtur in den Kohlenbecken und der Messingschale an, und stinkender Rauch verbreitete sich im Raum. Dann legte La Voisin den Inhalt der anderen Schalen, einen Katzenkopf und den mumifizierten Kopf, außerhalb des Kreises als Opfer nieder, um den Dämon anzulocken.
    »Muß die Katze immer schwarz sein?« murmelte einer der englischen Herren.
    »Ja. Und mit Menschenfleisch gefüttert. Der Schädel muß von einem Muttermörder sein. Die Macht muß konzentriert sein –«
    »Muß Blut vergossen werden?«
    »Ja. Das Opfer, das eigens für Astaroth dargebracht wird, ist ein auf einen Menschennamen getaufter junger schwarzer Hahn. Haltet Eure Hände an Euch. Wenn Ihr sie über den Kreis hinausstreckt, könnten wir Euch verlieren.« In stummem Entsetzen taten die Milords wie geheißen. Die Schattenkönigin verfiel wieder in Gesang, während ihre rotgekleideten Gehilfinnen die Kerzen aus Menschenfett anzündeten und sie in den Kreis stellten.
    Der Gesang schien kein Ende zu nehmen. Madame las aus

Weitere Kostenlose Bücher