Die Hexe von Paris
hörte ich des alten Montvoisins schrilles Kichern.
»Antoine! Genug! Mademoiselle, ich habe in meinem Kabinett mit dir über Geschäfte zu sprechen.«
»Astaroths Macht kontrolliert alle Geschäfte.« Madame funkelte Sylvie böse an, als sie uns voran in das Kabinett schritt und sich in ihren einzigen großen Lehnstuhl hinter dem Schreibpult setzte, bevor Astaroth sich seiner bemächtigen konnte. Ich nahm den schlichten Stuhl auf der anderen Seite des Pultes und Sylvie, deren Augen glühten, den Lehnstuhl am Kamin.
La Voisin sah mich über das Schreibpult hinweg an. Ihr Gesicht war von Erschöpfung und Verdruß gezeichnet.
»Ich bedarf deiner noch – und doch hat der Dämon dich abgewiesen. Warum? Du warst richtig vorbereitet. Ich selber habe dich zu der erforderlichen machtvollen Tat geleitet. Ich gab dir eigenhändig die Giftphiole. Du warst das vollkommene Opfer: geistreich, gebildet. Du wärest eine von uns geworden. Die größte unter uns. Unbarmherzig. Und doch hat der Dämon dich nicht gewollt –« Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Das kann nur sein, weil du eine von ihnen bist, eine von La Reynies Verräterinnen.« Sylvie saß auf der Stuhlkante, ihre glitzernden Augen schossen hin und her, während sie jedes Wort in sich aufnahm. La Voisins Stimme dünkte mich nur mehr ein sinnloses Geplapper. Wie konnte ein Mensch die reale Welt an die unmöglichen Phantasien einer imaginären Welt verraten?
»Ihr solltet wissen, daß ich niemals eine von ihnen sein kann. Wer möchte schon als Untermensch behandelt werden? Dafür nämlich halten sie die Frauen. Ich werde niemals Untermensch sein – das hättet Ihr Euch überlegen müssen, bevor Ihr mich verrietet.«
»Ich habe dich nur an deine höhere Bestimmung verraten. Was wird aus dir, wenn du nicht Königin wirst? Die flüchtige Liebschaft eines Spielers! Tot. Verschwendet.«
»Ich werde ich selbst sein.«
»Dann bist du wahrlich verloren. Kein Mensch kann ohne einen Meister leben, und du dienst weder Himmel noch Hölle.« Die Hexenmeisterin erhob sich, warf Sylvie einen strengen Blick zu, um sich ihren Stuhl zu sichern, dann schloß sie ihren Schrank auf und entnahm ihm das mit P gekennzeichnete Hauptbuch. Sie blätterte es durch, hielt bei »Pasquier, G.« an und schüttelte den Kopf, wohl weil sie den sinkenden Profit abschätzte, den ich ihr einbrachte.
»In zwei Jahren«, sagte sie, »läuft dein Kontrakt aus. Dann bist du frei. Ich denke, es wäre das beste für dich, dein Gewerbe außerhalb der Reichweite des Sonnenkönigs neu einzurichten. Italien ist gut; hüte dich vor Spanien und der Inquisition. Gib dich nicht mit den Holländern ab. Ein Fürstenhof wäre geeignet – eine königliche Stellung und eine Pfründe. Es ist schade um dich. Du hättest bis an die Spitze gelangen können. In den kommenden Monaten werde ich dich von Zeit zu Zeit für eine Lesung konsultieren. Ich denke, wir können in diesen Angelegenheiten aufeinander bauen, auch wenn wir uns nicht mehr trauen. Schließen wir Frieden?«
»Ja«, sagte ich. »Immerhin verdanke ich es Euch, daß ich nie ohne Einkünfte sein werde. Das ist mehr, als die meisten Frauen von sich sagen können.«
Sie sah sich suchend auf ihrem Schreibpult um. Ihre Augen leuchteten auf, als ihr Blick auf das kleine Katzengesicht aus Bernstein fiel, das auf einem Stapel halb erstellter Horoskope lag.
»Hier«, sagte sie und nahm das seltsame Gesicht in die Hand, »ein Unterpfand für unseren Waffenstillstand. Es ist sehr alt. Meine Mutter bekam es von ihrer Mutter. Und davor? Wer weiß? Es wurde seit uralten Zeiten weitergegeben. Doch wir leben in einer neuen Zeit – und ich habe keine leibliche Tochter, der ich es vermachen Könnte.«
»Madame, ich habe kein Unterpfand von gleichem Wert, das ich Euch geben könnte.«
»Von gleichem Wert? Oh, du bist eine kleine Maschine.« Die Schattenkönigin kicherte. »Die neue Frau, die denkt wie ein Mann. Aber auch ich glaube an das Moderne. Es hat Vorteile gegenüber den alten Zeiten. Wir müssen nicht enden wie unsere Mütter. Meine Großmutter wurde bei lebendigem Leibe verbrannt. Meine Mutter ist alt und verkrüppelt, von ihren Liebhabern verlassen, und zu blind, um die Künste auszuüben, in denen sie mich unterwiesen hat. Ich schicke ihr Geld. Aber ich schwöre, ich werde nicht enden wie sie, in meinen alten Tagen verspottet von Kretins und Bauern. Nein, ich habe das Neue erschaffen – Hexerei als großes Unternehmen, wie die Handelsgesellschaften der
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