Die Hexe von Paris
große Ehre, die ihr zuteil wurde, nicht verdient. Aber daß dieses kleine Landfräulein sich nun mir gegenüber aufspielt, einer Frau von Geist, Kultur, Bildung – sagt mir, sagt mir: Wird sie einen gesellschaftlichen Fauxpas begehen wie La Ludres, wird sie sich selbst vernichten?« Madame de Montespan reichte mir eine winzige Rosette, die sie von einem bestickten Hemd abgeschnitten hatte. Gehorsam drückte ich sie an das Glas.
»Madame, ich sehe ein junges Mädchen mit blonden Haaren, einem kleinen Mund, einer geraden Nase und einfältigen blauen Augen – ist sie das?«
»Ja, lebensecht.«
»Ihre Augen sind eingesunken – sie sieht müde aus oder krank –«
»Gut«, unterbrach Madame de Montespan.
»Sie fährt in einer perlgrauen Kalesche –«
»Mit dem König?«
»Alleine.« Madame de Montespan stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
»Aber wie viele Pferde?«
»Laßt mich sehen – sie umfahren eine Kurve auf dem Lande – Bäume sind im Weg – sie nähern sich einer Gruppe von Gebäuden – einem Kloster? Ich kann es nicht sagen, ich habe diese Häuser nie gesehen. Eins, zwei, drei – ja, vier Paar Pferde. Acht Pferde ziehen die Kalesche, Madame.«
»Acht, acht! Ich habe es gewußt. Sie wird die Herzogin sein. Ich schwöre es hier vor Euch, sie wird nicht lange genug leben, um sich daran zu erfreuen!«
»Madame, bitte faßt Euch. Vergeßt nicht, Ihr habt Geheimhaltung gelobt.«
»Geheimhaltung?« Ihre Stimme wurde verschlagen. »O ja. Strengste Geheimhaltung. Für Euch und auch für mich, denn würde dieses Treffen bekannt, es wäre Euer Tod. Ja, wir werden ganz, ganz still sein, nicht wahr? Adieu, Madame de Morville, Ihr sollt hierfür gut belohnt werden.« Ich verließ sie in der Hoffnung, daß die einzige Belohnung, die sie meinte, der pralle Geldbeutel war, der mir im Vorzimmer übergeben wurde.
Die Fahrt zur Rue Beauregard war alles andere als erfreulich. Ich schwieg bedrückt, während Astaroth sich darüber ausließ, daß es unter seiner Würde sei, in einer Kutsche mit nur zwei Pferden zu fahren, während er in der Hölle auf einem goldenen, mit Edelsteinen besetzten Thron auf dem Rücken von tausend feurigen Kobolden getragen werde, und so weiter, und so fort.
»Sylvie«, erklärte Mustafa, »wenn du diesen Teufel nicht los wirst, fange ich wieder an, zur Messe zu gehen.«
»Astaroth hofft, du scherzest.«
»Natürlich, natürlich, Astaroth. Du willst nur sichergehen, daß Madame uns keine gemeinen Streiche spielt, nicht wahr?« Ich bin stets dafür, Verrückte versöhnlich zu stimmen.
»Madame ist eine Untergebene. Astaroth kann sie mit einem Fingerschnippen verschwinden lassen.«
In den Vorhängen und Polstern des schwarzen Salons hing noch ein schwacher Geruch nach dem widerwärtigen Rauch. Er entflammte Sylvie: Ihre Nasenlöcher blähten sich, um das Aroma einzuatmen, und ihre Augen schossen umher, als sähen sie unsichtbare Dinge in der Luft. Mir dagegen drehte sich der Magen um. Manon führte uns in das Hinterzimmer. Der alte Montvoisin kam soeben mit einem Brötchen in der Hand aus der Küche geschlurft. »Nun, wie befindet sich der Höllenfürst heute, geht es ihm gut?« fragte er.
»Astaroth grüßt den Gemahl seiner Verehrerin.« Montvoisin kicherte über die Begrüßung, dann setzte er sich und verzehrte sein Brötchen. Sylvie ließ sich in Madames bestem Lehnstuhl nieder, ich nahm den schlichten Stuhl. Manon kniff die Augen zusammen, als sie sah, daß Sylvie sich gesetzt hatte, dann entfernte sie sich, um ihre Gebieterin zu holen. Bald darauf erschien La Voisin. Ihre schwarzen Taftunterkleider raschelten; darüber trug sie ihr dunkelgrünes Satinkleid, das am Saum gerafft war und das hellgrüne Seidenfutter sehen ließ. Ihre Zöpfe steckten unter ihrer Spitzenhaube, Löckchen lugten darunter hervor und hingen über ihren Ohren, so daß sie fast ihre Smaragdohrringe verbargen. Ihre dunklen Augen sprühten Zorn, als sie Sylvie erblickte.
»Astaroth nimmt den Lehnstuhl«, verkündete Sylvie, und ihre Augen glühten von einem seltsamen Feuer. La Voisin wirkte verblüfft, sie sah von einer zur anderen, dann schüttelte sie langsam den Kopf.
»Verflucht«, hörte ich sie vor sich hin murmeln. »Nun, meine Lieben«, fuhr sie mit heiterer Stimme fort, »lassen wir das Vergangene ruhen. Ein Glas Wein gefällig?«
»Astaroth trinkt nicht«, erklärte Sylvie. Ich biß mir auf die Lippen, um das Gesicht nicht zu verziehen. Astaroth war ein feiner Kumpan. Aus der Ecke
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