Die Hexe von Paris
wohl, Messieurs.«
Als die Türe sich hinter ihnen schloß, klatschte Sylvie in die Hände und rief: »Bravo, Monsieur d'Urbec. Genau wie im Theater, vortrefflich!« Er verbeugte sich wie ein Schauspieler vor dem Publikum.
»O Florent, das war glänzend, glänzend!« Ich stand auf, um ihn zu umarmen. Florent aber schüttelte den Kopf und legte mir seine Finger auf die Lippen.
»Anders als im Theater schließt sich der Vorhang im wirklichen Leben nicht. Der Mann kommt vielleicht wieder. Und wenn er Nachforschungen über deine Ansprüche anstellt, dann wird, sofern nichts Schlimmeres geschieht, zumindest unsere Eheschließung den falschen Leuten bekannt. Das ist nicht gut. Hiermit hatte ich nicht gerechnet.« Florent schritt auf und ab, seine Stirn war gerunzelt. »Verdammt soll er sein! Wäre er doch einen Monat später gekommen! Jetzt muß ich mir etwas anderes einfallen lassen.«
»Astaroth sagt, er wird alles regeln«, erklärte Sylvie.
»Wollt ihr wohl still sein, du und dieser elende Dämon? Ich denke nach!« rief d'Urbec aufgebracht. Sylvie brach in Tränen aus.
»Nimm's nicht so schwer, Sylvie«, tröstete ich, »Monsieur d'Urbec ist nur verärgert. Er wollte den Dämonenfürsten bestimmt nicht kränken.« Plötzlich mußte ich mich setzen. Étienne hatte eine Reihe häßlicher Erinnerungen geweckt, Erinnerungen, bei denen mir übel und schwach wurde. Ich legte die Hände vors Gesicht. Ich wünschte, ich wäre weit fort, wo Erinnerungen mich nicht finden könnten. Ich fühlte mich vor Erschöpfung transparent wie ein Geist, wie ein Nebelstreif. »Oh, wie soll ich heute nachmittag eine Lesung für die Comtesse de Soissons zustande bringen?« Ich lehnte den Kopf an die Stuhllehne. »Ich bin zu erschöpft, um im Glase zu lesen.«
»Was? Die Comtesse ist in der Stadt?« fragte Florent. »Warum ist sie um diese Jahreszeit nicht am Hof? Jeder, der auf sich hält, ist in St. Germain.«
»Die Mancinis lieben Paris, und sie sind mächtig genug, sich nicht um den Unmut des Königs zu scheren, wenn sie den Hof verlassen, um ihre Kurzweil in der Stadt zu suchen, das ist alles.« Ich zog die Schultern hoch.
Aber ich irrte mich. Als man mir im Hofe des Palais de Soissons aus der Kutsche half, kam Visconti die große Treppe herunter. Er ging zusammengekrümmt, den Umhang hatte er zum Schutz vor dem scharfen Märzwind fest um sich gezogen, den Kopf hielt er gesenkt: ein Bild der Verzagtheit.
»Monsieur Primi!« rief ich in den Wind, und er hob den Kopf und setzte eine heitere Miene auf, als hätte er keinerlei Sorgen.
»Ei, guten Tag, Madame de Morville. Meinen Glückwunsch, Ihr seht mit jedem Tage jünger aus.«
»Was ich nicht Euch zu verdanken habe, Primi. Sagt mir, was erwartet mich heute? Wieder ein Duell der Wahrsager? Oder werde ich zusammen mit einer Uhrwerksfigurine und einem Tanzbären zur Schau gestellt?«
»Ich sollte mich wohl entschuldigen, Marquise. Des Königs liebster Zeitvertreib ist es, Wahrsagerinnen, Zauberer und Quacksalber zu entlarven. Vor welche Wahl hatte er Euch damals gestellt? Bei mir war es die Schlinge des Henkers.«
»Mir bot er den Scheiterhaufen an, wenn ich ihm mein Geheimnis nicht verkaufe.«
»Ah, ich habe immer gesagt, Ihr seid eine Hexe – doch das spielt nun keine Rolle mehr.« Er seufzte.
»Was habt Ihr nur? Ihr braucht Euch nicht zu grämen. Er hat Euch zu seinem Günstling gemacht – aber mich hat er ruiniert.«
»Wir sind alle ruiniert, kleine Marquise. Ich würde fliehen, aber ich liebe eine Frau – ihretwegen bleibe ich und setze alles aufs Spiel.«
»Ich erfriere noch, ehe ich verhungert bin. Stellen wir uns in den Torbogen.«
»In diesem Falle ist frieren vorzuziehen. Man darf uns nicht hören.« Er wies auf den livrierten Wächter vor dem großen Portal des Palais. Es schien, als wolle der kalte Wind uns auseinanderblasen, als wir so auf der breiten Treppe beisammenstanden. »In der Stadt geht das Gerücht um, daß die Wahrsagerinnen von Paris den Wert ihrer Prophezeiungen mittels Gift gesteigert haben. Eine gräßliche Alte, von der ich nie gehört habe, wurde in Gewahrsam genommen. Sie hatte eine Wahrsagerin namens La Vigoreux mit hineingezogen. Dieser Frau bin ich einmal bei Madame de Vasse begegnet – sie las mir aus der Hand. Jetzt ist sie im Château de Vincennes, und es heißt, daß sie unter der Folter die Namen ihrer Komplizen preisgibt.«
»Primi, Ihr seht zu schwarz. Man wird Euch für unschuldig befinden, genau wie alle die törichten Frauen,
Weitere Kostenlose Bücher