Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
Pult nähernd, »du würdest alles sagen, nur um mich abzulenken, nicht wahr? Aber mich kannst du nicht täuschen. Ich glaube dir nicht eher, als bis ich den Ehekontrakt sehe. Ich werde dafür sorgen, daß man dich ergreift, und was diesen Abenteurer angeht, den lasse ich einsperren –« Er hatte zu schreien begonnen, als könnte dies den Mangel an Logik ausgleichen. Gilles hatte sich unterdessen für alle Fälle mit verschränkten Armen am Fuße der Treppe hinter den beiden Männern aufgestellt.
    »Und störst die Reinheit der von unserem Monarchen so geliebten Familie?« versetzte ich mit äußerst sarkastischer Stimme. »Du weißt es vielleicht nicht, ich habe für ihn persönlich gelesen –« Bei der Erwähnung des Königs bekam der zweite Advokat einen ehrfürchtigen Gesichtsausdruck, doch Étienne ließ sich nicht aufhalten, so heftig begehrte er meinen Besitz.
    »Nimm dich in acht, du scheinheiliger Mensch«, zischte ich. »Wenn du mich länger belästigst, werden sich Fragen zu deinem Benehmen erheben, die du nicht freudig beantworten wirst –«
    Doch da drehten sich beide Männer plötzlich um. Sie hatten ein Geräusch an der Haustüre und schwere Schritte gehört. Étiennes Begleiter zupfte ihn am Ärmel, bemüht, ihn zum Gehen zu bewegen.
    »Oh, bleibt doch, Messieurs, ich möchte Euch mit meinem Ehemann bekannt machen.« Ich sprach das Wort mit verhaltenem Triumph. Sylvie lief, Florent den Umhang abzunehmen, und ich bemerkte erneut den eigentümlichen Ausdruck in ihrem Gesicht. Mustafa war nicht bei ihm. Florent mußte ohne Warnung zurückgekommen sein. Doch seine dunklen, klugen Augen erfaßten die Szene mit einem Blick. Ein seltsames Lächeln erschien in seinem Antlitz.
    »Ei, welche Ehre«, sagte er freundlich. »Advokaten. Könnten es Verwandte sein? Ich glaube nicht. Keine Familienähnlichkeit. Wenn sie behaupten, zur Familie zu gehören, müssen sie unehelich sein.« Er hielt inne, um die Wirkung seiner Worte zu genießen. Étiennes Gesicht rötete sich höchst befriedigend. »Messieurs, es ist mir ein Vergnügen, Euch hier zu sehen«, fuhr er wie beiläufig fort, »ich hatte vor, wegen eines Vermächtnisses, das meiner Gemahlin zufallen wird, um Beistand zu ersuchen. Ihre Familie, müßt Ihr wissen, hat sie mitten im Winter mit nichts als einem zerrissenen Kleid aus dem Hause geworfen, sie dann für tot erklärt und Anspruch auf ihr Erbe erhoben. Ist das nicht furchtbar? Denkt Euch, sie sind sogar so weit gegangen, statt ihrer einen anderen Leichnam zu beerdigen. Zum Glück besitzt die Polizei einen sicheren Beweis ihrer Identität. Vielleicht könnt Ihr mir raten, wie ich vorgehen soll? Oder soll ich Euch zuvor für Eure Beratung bezahlen?«
    »Schurke-«, rief Étienne.
    »Und wie liebenswürdig von Euch, auch einen Zeugen mitzubringen, Maître – ah, Ihr müßt Pasquier sein, habe ich recht?«
    »Maître Pasquier«, ließ sich sein Begleiter vernehmen, »Ihr habt mich getäuscht – meine Reputation – ich muß mich zurückziehen –«
    »Ihr Narr, seht Ihr nicht, daß er lügt? Bleibt hier, ich hole unterdessen die Wache.«
    »Maître Pasquier«, drohte Florent, »wenn Ihr dieses Haus nicht verlaßt, sehe ich mich gezwungen, mir einen lange gehegten Wunsch zu erfüllen – nämlich einen Advokaten auszupeitschen.« Étienne funkelte ihn erbost an.
    »Ihr würdet es nicht wagen, Ihr Herumtreiber, Ihr Abenteurer –«
    »Ach nein? Welch ungebührliche Fragen würden sich erheben, wenn Ihr diesen furchtbaren Affront auf Eure Ehre melden würdet! Könnt Ihr es Euch leisten, zur Zielscheibe des Spottes zu werden, Maître Pasquier?«
    »Kommt fort von hier, kommt – den Anspruch könnt Ihr später regeln.« Étiennes Begleiter zupfte ihn abermals am Ärmel.
    »Ah, und welch ein Anspruch – ich wünsche mir schon lange eine vornehme Residenz in der Stadt. Ich glaube, ein kleiner Landbesitz gehört auch dazu. Oho, das macht Euch nervös, wie? Geht, geht, kleiner Mann, ehe Ihr sowohl beraubt als auch schmerzhaft verdroschen werdet.« D'Urbec wandte sich kurz zur Treppe und rief: »Ah, Gilles, gehe hinauf und hole meine Peitsche – ich muß ein wenig üben.« Étienne, der die Gefahr abschätzte, es mit einem kräftig aussehenden Gegner aufzunehmen, machte ein ehrlich erschrockenes Gesicht, als er sich umdrehte und den hünenhaften Gilles gewahrte, der die Treppe herunterkam und mit der Peitsche lässig gegen seine Hand knallte. »Ah, vortrefflich, die Herren Advokaten haben mich verstanden. Lebt

Weitere Kostenlose Bücher