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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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zugespitzten Lippen. Ich sah sie verständnislos an. Nichts ergab einen Sinn.
    »Nun«, sagte sie mit ihrem Lächeln und dem kleinen stählernen Stachel darin, »ich mutmaße, du denkst, daß meine Worte keinen Sinn ergeben. Aber ich bin Geschäftsfrau, und alles, was ich sage und tue, hat einen Sinn.« Die Kutsche war immer langsamer geworden und fast zum Stehen gekommen, als der Kutscher sich mühte, seinen Weg durch die Menge der mit Körben beladenen Marktfrauen und schweren Fuhrwerke zu bahnen, die die Gegend rings um Les Halles fast unpassierbar machten.
    »Ich verstehe nichts von Geschäften.«
    »Sieh nur hinaus«, sagte sie und hob den Vorhang der Kutsche an. »Das ist Geschäft, kaufen und verkaufen. Die Leute wollen Waren; wenn du ihnen verkaufst, was sie haben wollen, wirst du reich. Wenn du darauf beharrst, ihnen Dinge zu verkaufen, die sie nicht wollen, wirst du hungern. Merke dir das; höre auf die Leute da draußen, und du wirst dir genau wie ich ein Vermögen schaffen, angefangen bei nichts. Die Leute da draußen haben eines gemeinsam – sie wollen alle wissen, was aus ihnen wird. Sie würden auch gerne wissen, warum sie leben – ihnen das zu sagen ist Aufgabe der Kirche. Aber über ihre Zukunft kann ihnen die Kirche nur sagen, daß sie sterben werden – und das ist ein Quentchen Wissen, für das niemand einen Sou bezahlen wird. Ich jedoch liefere ihnen dank meiner Kenntnisse der Kunst der Physiognomie, der Chiromantie, des Stellens von Horoskopen weitaus befriedigendere Antworten. Zum Lohn dafür bin ich reich geworden. Und nun möchte ich dir ebenfalls zu Reichtum verhelfen.« Aus einem Säckchen, das sie unter ihrer Kniedecke versteckt hatte, zog sie einen durchsichtigen, zugestöpselten Krug mit Wasser. »Nun, meine kleine Philosophin, sage mir, was du hier siehst.«
    Die glitzernden Farben ihrer Kleider und das Innere der Kutsche spiegelten sich verzerrt in dem Krug.
    »Ich sehe nur Spiegelbilder – das ist alles, was man sehen kann.« Mit fester Stimme sagte ich: »Das Vorgeben, in Wasser, Spiegeln und Karten die Zukunft zu lesen, ist Aberglaube. Die Entfaltung der Naturgesetze folgt den Gesetzen der Logik; wie Descartes sagt –«
    »Oje«, unterbrach sie, »bist du ganz sicher, daß das alles ist, was du siehst? Du meine Güte, wenn das der Fall ist, wird unsere Fahrt gewiß kürzer als erwartet. Versuche es noch einmal, meine Liebe.« Sie ließ die Kutsche unmittelbar hinter dem Cimetière des Innocents anhalten, um die Schwingungen im Wasser zur Ruhe zu bringen. »Nun«, sagte sie, »nimm es zwischen deine Hände – ja, so –, sieh durch das Wasser hinab – jetzt –« Sie sang die seltsamen Worte, deren ich mich erinnerte. »Sage mir, was du von mir im Wasser siehst.« Sie sprach sehr leise und langsam. »Sage es mir, sage es mir – laß das Bild im Wasser emporsteigen wie eine Blase.« Ich fühlte etwas Schwaches, Warmes durch mich hindurchziehen, und mir wurde übel im Magen, als ich die kleinen Gestalten sich formen sah, die an den Rändern zerflossen.
    »Ich sehe – ich sehe eine gutgekleidete Frau mit dunklen Haaren, die eine Maske trägt, zu Euch kommen. Ihr tragt ein grünes Kleid mit einem roten gesteppten Unterkleid und einem Spitzenkragen. Ihr führt sie in ein höchst merkwürdiges Kabinett – es ist ganz mit vergoldeten Intarsienschränken möbliert und hat in der Ecke ein kleines Fenster mit winzigen Glasscheiben und einem Sitz darunter. Ihr öffnet die Türe eines Schrankes, und darin sind Fächer – Ihr nehmt eine grüne Glasflasche heraus und gebt sie ihr.«
    »Ja, das habe ich mir gedacht«, sagte sie ruhig. »Du siehst zuviel.« Dann nahm ihre Stimme einen energischen Ton an, und sie wurde ganz geschäftsmäßig. »Es ist dein Glück, daß du mir in die Hände gefallen bist. Andere hätten dich vielleicht ausgebeutet, anstatt dir zu helfen. Fahre weiter, Joseph – ja, wo war ich? O ja. Was ist eine Begabung ohne Übung? Nichts! Gold in einem Felsblock im Wald. Die Kunstfertigkeit ist es, meine Liebe, die Kunstfertigkeit, die ein schimmerndes Juwel schafft. Merke dir das.«
    »Ich verstehe noch immer nicht.«
    »Oje, bist du heute schwer von Begriff, trotz all deiner Studiererei. So wisse denn, Geneviève Pasquier, es ist mir ein Anliegen, Menschen zu helfen. Insbesondere Frauen.«
    Ihre Stimme war warm und schmeichelnd. Ich sah ihr ins Gesicht und versuchte ihre Absicht zu ergründen. Aber ihre Züge waren rätselhaft.
    »Schließlich«, fuhr sie fort, »was

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