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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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undefinierbaren Geschöpf hinauf. Der Präparator hatte den Bauch des Objektes mit schillernden Entenfedern ausgestattet.
    »Weil alles im Hause weiblich ist. Etwas anderes würden wir nicht dulden.« Die kleinere, hübsche Frau, die ich zuvor oben gesehen hatte und die La Dodée genannt wurde, hatte Becher von einem Bord genommen und auf einem leeren Arbeitstisch angerichtet.
    »Psst, still jetzt«, warnte ihre ältere Gefährtin, »ich würde nicht so bereitwillig schwatzen, bevor ich das Zeichen gesehen hätte.« Sie wandte sich an mich. »Bist du eine von uns?« Ich machte das Zeichen, das man mir gezeigt hatte. »Eine von uns, und keine von uns. Wann hast du die andere Welt verlassen?« Irgendwie wußte ich, was sie meinte.
    »Vor drei Tagen«, sagte ich.
    »Meiner Treu, welch eine Veränderung. Was hast du gemacht, bevor alles anfing?« fragte La Trianon.
    »Ich wollte mich ertränken, aber statt dessen bin ich hier«, sagte ich in gelassenem Ton. Sie wirkten beileibe nicht so erschüttert, wie es wohl die meisten anderen Leute gewesen wären. Die Schokolade schmeckte sehr gut. In einer Welt, in der es Schokolade gibt, kann es nicht ganz schlecht zugehen.
    »War es ein Mann?« fragte die kleinere Frau namens La Dodée. »Meistens ist es einer. Du bist doch nicht etwa schwanger?« Plötzlich kam mir ein entsetzlicher Gedanke. Die Frau sah die Furcht in meinen Augen. »Keine Angst. Du bist jetzt bei uns. Das ist in unserer Welt kein Problem, wenngleich die Männer alles daransetzen, uns das Leben schwerzumachen. Sie können den Gedanken nicht ertragen, daß Frauen ein so erfolgreiches Gewerbe betreiben. ›Wo ist Eure Konzession? Wem gehört das Haus? Beherbergt Ihr hier Bösewichter oder entwichene Sträflinge? Ihr lebt doch gewiß nicht gänzlich ohne Männer!‹ ›Aber gewiß doch, Herr Gendarm, und unsere Papiere sind alle in Ordnung. Wir sind ehrbare Witwen, wir betreiben das Gewerbe weiter, das unsere guten verstorbenen Männer uns hinterließen; wir destillieren Parfüms und Arzneien.‹ Wir wischen uns eine Träne aus den Augen. Wir offerieren ein wenig Rosenwasser für die Gattin oder Freundin. ›Trinkt auf unser Wohl, Herr Gendarm, wir wissen, Ihr tut nur Eure Pflicht.‹ Und natürlich ist Einfluß von Nutzen. Der Einfluß von La Voisin. Wir können leben, wie es uns beliebt. Ohne Männer.«
    »Sie sagt, du bist eine Studierte«, unterbrach die erste Frau. »Als sie uns bat, dir beizustehen, sagten wir, ›gut, wenn sie lesen und rechnen kann, dann kann sie uns helfen, unsere Bücher in Ordnung zu bringen‹«. Ich betrachtete ringsum die unordentlichen Papierberge und war verärgert. Dies war alles andere als ein Kokon, der auf das Schlüpfen eines prachtvollen Schmetterlings wartet. La Trianon fuhr fort: »Das Geschäft ist uns in letzter Zeit etwas über den Kopf gewachsen – wir waren so erfolgreich, siehst du, Lieferungen nach ganz Europa. Denn wir garantieren Qualität, und wir hatten noch keinen einzigen enttäuschten Kunden. Ich wußte, du würdest uns helfen. Wir nehmen uns deiner an, du nimmst dich unserer an, La Voisin nimmt sich unser aller an. Wir sind beinahe eine philanthropische Gesellschaft. Ja, willkommen in unserer Gesellschaft. Tuet Gutes, und es wird euch allzeit Wohlergehen, wie meine Mutter zu sagen pflegte.«
    Wieder die Philanthropie. Ich war sicher, in meinem ganzen Leben nicht so vielen wohltätigen Seelen begegnet zu sein wie in den letzten beiden Tagen. Wir wurden vom silbrigen Klingeln einer Glocke aus dem angrenzenden Zimmer unterbrochen, das in Wirklichkeit ein Laden war, ausgestattet als Okkultistensalon, mit astrologischen Zeichen dekoriert. La Dodée eilte durch den Salon zur Eingangstüre. »Oh, das muß Monsieur Jordain sein, der Apotheker, mit seiner Lieferung«, hörte ich sie rufen. »Gottlob, wir sind vollkommen ausverkauft, und wir haben so viele Bestellungen.«
    Sie kam zurück und geleitete einen gütig dreinblickenden älteren Herrn herein. Er trug mehrere hellrote, mit Zwirn zugebundene Gefäße, die er auf den größten der Arbeitstische stellte.
    »Hier, meine Damen, noch frisch und lebendig. Was rieche ich denn da, ist das Schokolade?«
    »Keine mehr da«, beschied ihn La Trianon barsch, schnitt den Zwirn auf und lugte argwöhnisch in eines der Gefäße, um die Qualität der Ware zu beurteilen. Ich konnte nicht umhin, meinerseits einen Blick hineinzuwerfen.
    Die Gefäße waren mit lebenden Kröten gefüllt.

    Oben, beim Aushängeschild mit der Violine

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