Die Hexe von Paris
das Zimmer fast zu warm. Ich fühlte den Schweiß im Rücken hinabrinnen, als ich vor ihrem Schreibpult stand. Sie blickte zu mir auf, als sei ich irgendwie schwierig. »In einer schwarzen Messe ist meist ein Kind das Opfer, und oftmals genügt ein Tier oder ein wenig Menschenblut. Du bist entschieden zu alt. Man könnte dich allerhöchstens bitten, als Altar zu dienen, doch um den Teufel herbeizurufen, wird eine Jungfrau bevorzugt. Wird die Messe zugunsten einer Frau gelesen, so wird sie meistens aufgefordert, selbst als Altar zu dienen. Für einen Mann freilich ist eine Frau vonnöten, die als Altar dient. Aber es ist vollkommen freiwillig – wie sollte sonst der Kelch geschlossen bleiben?«
Kichernd starrte sie an mir vorbei ins Feuer. Dann sah sie mich nachsichtig an, mit dem merkwürdigen kleinen V-Lächeln. »Nein, du brauchst dir überhaupt keine Sorgen zu machen. Was immer sie tun, gib dich gelangweilt, als hättest du es schon besser ausgeführt gesehen. Das Niveau deines Geschäftes wird erheblich steigen. Teufelskult ist heutzutage in den höchsten Kreisen die große Mode. Unsere Aristokraten sind des Tanzens, des Glückspiels und des Kriegführens müde. Nur Neuheiten zählen.« Sie legte den Katzenkopf aus der Hand. Dies war das Zeichen, daß die Unterredung beendet war. Meine Gönnerin erhob sich und wandte sich von ihrem vollgestopften Schreibpult ab. Die Bernsteinkatze blinzelte mich von einem Stapel in Vorbereitung befindlicher Horoskope an. Eine Anzahl bunter Fläschchen und eines von La Voisins Hauptbüchern machten sich mit dem vulgären kleinen Satyr, der ihre Tinte enthielt, den Platz streitig. An der Türe blieb sie stehen und sah mich über die Schulter an. »Ach«, sagte sie, als sei ihr gerade etwas eingefallen, »und wenn du Père Guibourg siehst, erinnere ihn daran, daß seine letzte Zahlung überfällig ist.«
Und so wurde ich, bestens gewappnet, in der folgenden Woche von dem berühmten Doktor in die luxuriöse Residenz des Duc de Nevers eingeführt. Mitglied der einflußreichen Familie Mancini und Neffe des verstorbenen Kardinals Mazarin. Der Duc, hatte ich erfahren, war ein Amateurmagier, der sich nichts sehnlicher wünschte, als dem Teufel persönlich zu begegnen. Selbst unter den Adligen war er eine Berühmtheit. Schließlich trifft man nicht alle Tage einen Mann, der ein Schwein getauft hat. Es war eine kleine, aber interessante Gesellschaft zugegen. Unter den Gästen war der Duc de Brissac, ein Adept, der viel Zeit mit Gesprächen über Paracelsus und »La clavicule de Salomon« verbrachte. Von Rabel erfuhr ich, daß Brissac sein gesamtes Vermögen für Glücksspiel und Ausschweifungen verschwendet hatte und nun gezwungen war, als Hausgast des Duc de Nevers zu leben. Schläfrig vor Langeweile, saß ich neben Rabel und dem plappernden Brissac im Salon und hörte zu, wie Duc de Nevers einen italienischen Wahrsager – einen Mann namens Visconti, der ein Günstling des Königs war – über Dämonenbesessenheit in Italien ausfragte.
» – dort sind außergewöhnliche Dinge zu sehen, Dinge, die man in Paris niemals zu sehen bekommt. In Italien ist man dem Teufel näher – sagt mir, lohnt sich heutzutage eine Reise nach Rom?«
»Es ist einfach so, daß Italien der Inquisition näher ist, nicht dem Teufel«, entgegnete der Italiener kühl. »Die Inquisition hält es für angebracht, jedweder phantastischen Geschichte Glauben zu schenken. Und dank der allgemeinen Einfalt der Menschheit glauben die Italiener alles, was die Inquisition akzeptiert. So werden Reputationen gemacht. Nein, Monsieur le Duc, wenn Ihr den Teufel zu sehen wünscht, könnt Ihr ihn ebenso wahrscheinlich in Paris finden.«
»Aber ich habe Euch etliche Wunder zu zeigen. Ich wünsche Eure Meinung zu hören. Eure Meinung gilt mir sehr viel. Zumal Ihr Seiner Majestät letzten Sieg über die Holländer so präzise vorausgesagt habt! Ich habe hier, in meinem eigenen Haus, ein Phänomen, die Tochter einer Wahrsagerin, die Eure geheimen Gedanken in einem Spiegel geschrieben sehen kann! Und ich habe ein noch größeres Wunder entdeckt – die alte Dame dort in Schwarz –« Er senkte die Stimme zu einem Flüsterton, als er über mich sprach. Der kühle Blick des Italieners fiel auf mich. Er war schlank, mit olivenfarbener Haut, ungefähr fünfundzwanzig, überaus elegant gekleidet. Ich war froh, daß mein Schleier und eine dicke Schicht Reispuder meine Züge verbargen. Das ist es also, dachte ich mit der Zuversicht der
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