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Die Hexe von Salem

Die Hexe von Salem

Titel: Die Hexe von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Nebel. Für einen ganz kurzen Moment glaubte ich, die Stimme meines Vaters zu erkennen, aber das war nur ein Wunsch, an den ich mich für eine Sekunde klammerte. Die Stimme klang so unwirklich wie die Gedankenstimme meines Vaters, aber sie war anders. Ein scharfer, irgendwie böser Unterton schien darin mitzuschwingen. Schritte trappelten hinter mir auf dem Stein, dann hörte ich ein leises, kehliges Lachen.
    »Wer ist da?«, fragte ich. Meine Stimme klang nicht ganz so fest, wie ich es gerne gehabt hätte. Meine Hände zitterten.
    »Rooooooooooo … beeeeeert …«
    Nur dieses eine Wort, mein Name, nicht mehr. Und trotzdem ließ mich der Klang dieser unheimlichen Stimme bis ins Mark erschauern. Ich sah mich noch einmal nach allen Seiten um, atmete hörbar ein und ging weiter. Nur mit Mühe unterdrückte ich den Impuls, einfach loszurennen, so schnell ich konnte.
    »Robert« , wisperte die Stimme. »Komm zu mir.«
    Ich ging schneller und versuchte gleichzeitig, die Stimme zu ignorieren. Es ging nicht. Obwohl sie so leise war, dass die Worte mehr zu erraten als wirklich zu verstehen waren, war sie von einem suggestiven, befehlenden Zwang, der es mir unmöglich machte, sie zu überhören. Ich konnte immer noch nicht sagen, aus welcher Richtung sie kam. Es schien, als dränge sie aus dem Nebel, aus allen Richtungen zugleich. Als wäre es der Nebel selbst, der zu mir sprach …
    Vor mir schimmerte ein Licht durch die graue Dämmerung. Ich blieb stehen. Das Licht flackerte und war sehr schwach, aber es war nicht das Licht einer Gaslaterne; auch nicht die Lampen eines Wagens, der sich vielleicht in diese Gegend verirrt hatte. Es war … etwas Unheimliches in diesem Licht.
    »Robert. Komm zu mir.«
    Diesmal klang die Stimme befehlend; hart. Ich machte einen Schritt, blieb abermals stehen und versuchte angestrengt, mehr als den flackernden grünlichen Schein zu erkennen.
    Das Licht waberte und wogte auf sonderbare Art; fast, als würde es leben. Sein Schein war vom Nebel gedämpft, aber ich erkannte trotzdem die giftgrüne, unheimliche Färbung, die ihm anhaftete, und für einen kurzen Moment schien mich etwas Unsichtbares, Eisiges zu streifen.
    Dann trat eine Gestalt aus dem Licht. Die Gestalt meines Vaters.
    Trotz des immer dichter werdenden Nebels erkannte ich ihn sofort; das schmale, von einem pedantisch ausrasierten Bart eingerahmte Gesicht mit den brennenden Augen, der spöttisch verzogene Mund, der gezackte Blitz schlohweißen Haares über seiner rechten Braue …
    »Vater …«
    Er trat ein Stück auf mich zu, blieb jedoch in drei, vier Schritten Abstand stehen und sah mich mit undeutbarem Ausdruck an. Ganz schwach konnte ich die Umrisse des Hauses durch seinen Körper schimmern sehen.
    »Robert«, sagte er. »Ich habe dich gerufen. Warum bist du nicht stehen geblieben?«
    Ich wollte antworten, aber ich konnte es nicht. Irgendwo tief, tief in mir begann eine warnende Stimme zu flüstern, aber da war auch etwas, das sie niederhielt. Etwas, das nicht aus mir selbst kam. Anders als die Male zuvor erfüllte mich die halb durchsichtige Gestalt vor mir mit Furcht. Meine Kehle fühlte sich trocken an. Sie schmerzte.
    »Was … was willst du?«, fragte ich mühsam.
    »Was ich will?« Mein Vater lächelte verzeihend. »Dir helfen, Robert. Warum hast du nicht auf mich gewartet, in Goldspie?«
    »Ge … wartet?« Warum fiel es mir nur so schwer zu sprechen? Einen klaren Gedanken zu fassen?
    »Ich habe deine Spur verloren«, sagte er. »Aber jetzt habe ich dich ja wieder gefunden.« Plötzlich änderte sich etwas in seinem Blick. »Du bist in Gefahr, Robert«, sagte er. »In größerer Gefahr, als du ahnst.«
    »Ich … weiß«, sagte ich schleppend.
    Hinter meinen Schläfen begann sich ein dumpfer, quälender Druck bemerkbar zu machen.
    »O nein«, sagte Andara spöttisch. »Du weißt es nicht, Robert. Du glaubst es zu wissen, aber dabei übersiehst du die wirkliche Gefahr. Geh nicht zurück zu Howard.«
    »Nicht zurück zu Howard?«, echote ich dümmlich. »Wie meinst du das?«
    Ein rascher Schatten von Ungeduld, beinahe Zorn, huschte über die Züge meines Vaters, etwas, das ich noch nie an ihm bemerkt hatte. »Wie ich es sage, mein Sohn«, sagte er. »Howard ist nicht der, für den du ihn hältst.«
    »Aber du … du hast mich doch selbst … selbst zu ihm geschickt«, sagte ich hilflos. Der Druck in meinem Kopf wurde schlimmer. Quälender. Es war, als läge ein unsichtbarer Stahlreifen um meinen Schädel, der langsam

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