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Die Hexe von Salem

Die Hexe von Salem

Titel: Die Hexe von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und versuchte, sich gleichzeitig fester an seinen Halt zu klammern. Wenn er ihn losließ, war er verloren. Das Wasser mochte hier noch nicht tief sein, aber er konnte nicht schwimmen, und zum Ertrinken war es allemal tief genug.
    French atmete ein paar Mal tief durch, kämpfte die Panik, die seine Gedanken zu umnebeln drohte, mit aller Macht nieder und drehte den Kopf nach rechts und links. Das Boot war zerborsten, als wäre es von einer Kanonenkugel getroffen worden, aber weder von Glen noch von Bobby war die geringste Spur zu sehen.
    Irgend etwas berührte seine Beine. Etwas Kaltes, Glattes, Schleimiges.
    French erstarrte für die Dauer eines Herzschlags und senkte den Blick. Unter ihm huschte ein Schatten durchs Wasser – ein großer und massiger Schatten bewegte sich ein Stück von ihm weg und begann langsam zu wachsen.
    Das Wasser barst in einer schäumenden Explosion auseinander. Etwas Gigantisches und Graues und Schleimiges wuchs aus den kochenden Fluten der Themse, bäumte sich zu unmöglicher Höhe auf und starrte aus tückisch glitzernden Augen auf French herab.
    French begann zu schreien.
    Aber er schrie nicht sehr lange.
    Die Kälte hüllte mich ein wie ein eisiger Mantel. Die Straßen waren verlassen, selbst für die frühe Stunde ungewöhnlich leer, als wäre dieser Teil Londons ausgestorben. Ich hatte meinen Entschluss, Howards Angebot auszuschlagen und zu Fuß zu gehen, schon nach wenigen Minuten bereut; der Droschkenstand, den ich auf dem Herweg gesehen hatte, war leer und verwaist gewesen – wer brauchte schon morgens um fünf eine Droschke, noch dazu in diesem Teil der Stadt? –, aber ich war auch zu stolz, zurückzugehen und sein Angebot im Nachhinein doch noch anzunehmen. Außerdem schlief er wahrscheinlich schon längst, und ich wollte ihn nicht zum zweiten Mal hintereinander aus dem Bett klingeln. So ging ich einfach weiter. Schlimmstenfalls würde ich den Weg zum WESTMINSTER eben zu Fuß zurücklegen. Ein Spaziergang von einer Stunde würde mir nur gut tun, nach der langen, durchwachten Nacht in Howards rauchverpesteter Bibliothek.
    Und im Grunde war ich ganz froh, für eine Weile allein zu sein. Ich vertraute Howard, aber was er mir erzählt hatte, war einfach zu viel, um es in wenigen Augenblicken verarbeiten zu können. Und ich spürte – ohne dieses Gefühl konkret begründen zu können –, dass er mir mehr verschwiegen als mitgeteilt hatte. Diesen Mann umgab nicht ein Geheimnis, sondern gleich ein ganzes Netz.
    Meine Schritte erzeugten seltsame klackende Echos auf dem feuchten Kopfsteinpflaster der Straße. Der Nebel, der anfangs nur in dünnen Schwaden hier und da in der Luft gehangen hatte, hatte sich in den letzten Minuten verstärkt, im gleichen Maße, in dem die Nacht gewichen war, sodass es trotz der immer rascher hereinbrechenden Dämmerung nicht heller wurde.
    Ich zog den Mantel enger um die Schultern, senkte den Kopf und ging schneller. Meine Hand glitt, ohne dass ich es im ersten Augenblick selbst merkte, unter den Mantel und schmiegte sich um den Griff des Stockdegens. Irgendwie beruhigte mich das Gefühl, eine Waffe zu haben. Die Gegend, in der Howards Pension lag, war nicht umsonst verrufen. Und ich hatte wieder das gleiche, bedrückende Gefühl wie am vergangenen Abend: das Gefühl, von unsichtbaren Augen aus dem Nebel heraus angestarrt und beobachtet zu werden …
    Es war nicht nur ein Gefühl.
    Ein Schatten tauchte vor mir im Nebel auf und verschwand wieder, zu schnell, als dass ich ihn erkennen konnte, dann hörte ich das hastige, von den grauen Schwaden gedämpfte Trappeln von Schritten.
    Abrupt blieb ich stehen. Meine Hand legte sich etwas fester um den Degengriff, aber ich zog die Waffe noch nicht. Wenn man mir wirklich auflauerte, dann war es vielleicht besser, den Burschen noch nicht zu zeigen, dass ich nicht ganz so wehrlos war, wie sie zu glauben schienen.
    Mein Blick bohrte sich in das wogende Grau, das mich umgab. Plötzlich fiel mir auf, wie eisig es geworden war: Meine Hände und mein Gesicht prickelten vor Kälte, und mein Atem bildete dünne Wölkchen vor meinem Gesicht.
    »Robert.«
    Die Stimme war nur ein Hauch, nicht mehr als das Rascheln des Windes in der Krone eines Baumes, und sie klang unwirklich und dünn und schien aus allen Richtungen zugleich zu kommen. Wieder sah ich – oder bildete es mir wenigstens ein – einen Schatten, aber wieder verschwand er zu schnell, um ihn wirklich zu erkennen.
    »Roooobeeeert …«
    Verwirrt starrte ich in den

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