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Die Hexe

Die Hexe

Titel: Die Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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Moskau, Lossiny Ostrow
Samstag, 30. September, 13:00 Uhr
     
    Während der gesamten Regierungszeit der Königin Wseslawa war der Priesterinnen-Rat des Grünen Hofs noch nie so überstürzt zusammengekommen. Der Befehl zur sofortigen Einberufung des Rats der höchsten Magier des Herrscherhauses Lud erging, kurz nachdem Tapira sich im Palast offenbart hatte. Die Priesterinnen ließen alles liegen und stehen und folgten dem Ruf der Königin.
    Im riesigen Thronsaal des Grünen Hofs flackerten in kurzen Abständen leuchtende Wirbel auf – sieben Portale für sieben Priesterinnen. Als Letzte erschien Milana, die hochaufgeschossene Woiwode der Drushina der Kranichtöchter, der Elitekampfeinheit des Herrscherhauses. Ihre Anwesenheit war ein sicheres Zeichen dafür, dass alles andere als ein Kaffeekränzchen anstand.
    Die Königin Wseslawa erwartete ihre Untergebenen auf dem goldenen Thron, hinter dem auf einem großen Schild der Tanzende Kranich seine Flügel ausbreitete – das Wappen des Herscherhauses. Die Regentin wirkte nachdenklich und missgelaunt, doch obwohl die Zeit für die königliche Toilette äußerst knapp bemessen gewesen war, sah sie wie immer blendend aus. Ihr dichtes blondes Haar war zu einer raffinierten Frisur geflochten, die von einem goldenen Diadem gekrönt wurde. Ein dezentes Make-up betonte ihre herben, aber bestechend wohlproportionierten Gesichtszüge und ihre schlanke Figur umhüllte ein offenherziges Kleid. Wseslawa galt als schönste Königin in der Geschichte des Herrscherhauses Lud und darüber hinaus als schönste Frau der Verborgenen Stadt.
    Rechts von der Monarchin stand die Fate Krasawa, die die Einberufung des Rats ausgelöst hatte, und links von ihr der Baron Metscheslaw, der einzige Mann im Thronsaal. Im Herrscherhaus Lud besaßen ausschließlich die Frauen magische Fähigkeiten, deshalb wurden die Barone – die Gebieter über die Domänen des Grünen Hofs – bei wichtigen Entscheidungen nur gelegentlich zurate gezogen. Die machtbewussten Damen hielten die Mitwirkung des vermeintlich starken Geschlechts für weitgehend verzichtbar. Die Anwesenheit des Barons Metscheslaw, des Gebieters über die Domäne Sokolniki, erfüllte zum einen den Zweck, den Schein zu wahren. Zum anderen war allgemein bekannt, dass der reichste Baron des Herrscherhauses ein intimes Verhältnis zur Königin pflegte, aus dem zwangsläufig gewisse Privilegien resultierten.
    Die Versammelten warteten untertänig schweigend auf die Eröffnung des Rats und die Königin spannte sie auch nicht länger als nötig auf die Folter. Nachdem sie sich vom vollzähligen Erscheinen der Priesterinnen überzeugt hatte, erwiderte sie kurz die Verneigung ihrer Untertanen und begann zu sprechen.
    »Sicher wundert ihr euch über die überstürzte Einberufung des Rats, doch die Fakten, die uns vor wenigen Minuten zur Kenntnis gebracht wurden, sind von solcher Wichtigkeit, dass es mir nicht ratsam schien, mit der Versendung von offiziellen Einladungsschreiben wertvolle Zeit zu verschwenden. Die neuen Erkenntnisse könnten gravierende Auswirkungen auf die Situation in der Verborgenen Stadt haben.«
    Wseslawas an sich leise Stimme hallte effektvoll durch den halbleeren Saal. Die Priesterinnen horchten auf und die älteste von ihnen, Miroslawa, erlaubte sich eine Zwischenbemerkung.
    »Hängen diese Erkenntnisse womöglich mit den skandalösen Geschehnissen zusammen, die sich seit einiger Zeit in der Verborgenen Stadt zutragen? In den Domänen wächst die Besorgnis über die ungewöhnlich massiven Ausschreitungen von Humos. Der Massenmord in der Schaukel , die von den Rothauben verübten Plünderungen einschließlich des spektakulären Banküberfalls und – nicht zu vergessen – die Sache mit dem Chwanen – all das gibt zu denken. Die Humos werden allmählich misstrauisch. In den Domänen sieht man die Sicherheit der Verborgenen Stadt ernsthaft bedroht.«
    »Ich bin davon überzeugt, dass alle von dir erwähnten Ereignisse mit unseren neuen Erkenntnissen in Zusammenhang stehen«, bestätigte die Königin und nickte dabei gravitätisch mit dem Kopf. »Das ist meine vorläufige Meinung, endgültige Schlüsse werden wir gemeinsam ziehen.«
    Die alte Priesterin verneigte sich und die Fate Krasawa, der die Aufregung anzumerken war, trat einen Schritt nach vorn.
    »Wie dem geschätzten Priesterinnen-Rat bekannt ist, habe ich Nachforschungen in Bezug auf den Armreif der Fate Mara angestellt. Das Aufflammen der Aktivitäten der Schwarzen

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