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Die Hexe

Die Hexe

Titel: Die Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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die Schultern sinken und breitete die Arme aus. »Ich habe mir Sorgen gemacht. Du bist einfach verschwunden und hast mir nichts gesagt.«
    Larissa staunte: Sie wird doch keine Muttergefühle für mich empfinden? Aber wer wird schon aus alten Weibern schlau?
    »Hat Arnold dir denn nicht erzählt, mit wem ich gegangen bin?«, fragte sie unschuldig.
    »Doch, hat er«, nickte Kara nach kurzem Zögern. »Der windige Kneipenschläger hat wohl mächtig Eindruck auf dich gemacht.«
    »Du wirst’s nicht glauben, aber die Eindrücke danach waren noch besser.«
    Die Zauberin beschloss, den provokanten Ton zu ignorieren.
    »Ich an deiner Stelle wäre ein bisschen vorsichtiger mit Söldnern. Wer weiß, wozu sie imstande sind.«
    »Zu einigem. Mir hat’s gefallen.«
    »Hör auf, in einem solchen Ton mit mir zu sprechen!«, entrüstete sich Kara. »Ich bin nicht deine Mutter!«
    »Dann benimm dich auch nicht so! Ich entscheide selbst, mit wem ich meine Zeit verbringe!«
    »Trotzdem finde ich nicht, dass du mit einem Lakaien der Nawen ins Bett steigen solltest.«
    »Ich habe dazu nichts mehr zu sagen!«
    Larissa drehte sich um und stöckelte mit hoch erhobenem Kopf aus dem Zimmer.
    Verdammte Zicke!
    Die um sich greifende Renitenz der jugendlichen weiblichen Anhängerschaft ging Kara allmählich auf die Nerven. Die eine ließ sich von einem Typen abschleppen, der bei den Nawen im Sold stand, und die andere hielt sich für so unersetzlich, dass sie seelenruhig zuschaute, wie zwei Mann aus dem engsten Kreis verdroschen wurden. Was für eine Jugend?! Egoismus, Aggressionen, Sittenverfall – früher hätte es so etwas nicht gegeben.
    Andererseits war sich Kara darüber im Klaren, dass sie selbstbewusste Charaktere wie Larissa und Inga mit Bedacht ausgesucht hatte. Duckmäuserische graue Mäuse konnte sie schließlich am wenigsten brauchen.
    Wie auch immer, dachte die Zauberin, die Zeit läuft für mich. Wenn mein Plan aufgeht und die darauffolgenden Ereignisse sich günstig fügen, wird Inga mit ihrer Eifersucht aufhören und wieder eine treue und zuverlässige Anhängerin sein. Wenn mein Plan aufgeht und die darauffolgenden Ereignisse sich ungünstig fügen, wird mich Inga nie wieder sehen – vorausgesetzt, dass sie überhaupt überlebt.
    Kara zweifelte nicht dran, dass ihr Plan aufgehen würde. Sie beruhigte sich, kehrte in ihr Arbeitszimmer zurück und setzte sich an den Computer. Wie auch immer die Dinge sich fügen würden, eine neue Identität brauchte sie so oder so.
    Die Beschaffung von Papieren war kein Problem. Da die Bewohner der Verborgenen Stadt wesentlich älter als Menschen wurden, lebte ein ganzer Wirtschaftszweig davon, sie mit den nötigen Dokumenten und Legenden auszustatten. Kara hatte sich nicht an den Marktführer Schatyr-Print gewandt, der für ihren Geschmack etwas zu penibel Buch führte, sondern – natürlich über Strohmänner – an ein kleines Kontor, wo keine überflüssigen Fragen gestellt wurden.
    Die Zauberin blätterte in einem abgegriffenen Heftchen. Wawilowa Jekaterina Sergejewna, ledig, keine Kinder, kein Foto. Vorläufig. Das war das geringste Problem.
    Nun musste man aus dieser Jekaterina Wawilowa noch eine reiche Frau machen, damit sie sich um Kleinigkeiten wie Hotelzimmer oder ein neues Auto keine Gedanken machen musste. Die Finger der Zauberin wirbelten über die Tastatur und schickten Kara auf eine Reise durch das elektronische Bankensystem.
    Wie einfach das heutzutage alles war! Noch nie hatten ihre Ersparnisse so leicht den Besitzer gewechselt! Ein paar Passwörter, ein paar Mausklicks und schon wanderten die Reichtümer auf die Konten ihrer neuen Besitzerin.
    Nachdenklich betrachtete Kara die langen Ziffernreihen. Reichtum bedeutete ihr nichts, doch sie schätzte seinen Nutzen. Eine solide Vermögensbasis verschaffte nun mal gewisse Freiheiten – in jeder Gesellschaft, selbst im Kommunismus. Und diese Basis hatte sie sich verschafft. In ihrer Anfangszeit, indem sie gutgläubige Kleinbürger betrog, Kleinkriminelle protegierte und selbst hergestellte Artefakte verkaufte. Später, mit wachsendem Können, begann sie, das große Rad zu drehen: Termingeschäfte an den Börsen, private Investitionsprojekte, Zusammenarbeit mit mächtigen Figuren der Schattenwirtschaft. Die hervorragende Kenntnis der Magie der Vorhersage leistete ihr dabei nützliche Dienste. Kara betrieb ihre Geschäfte mit Erfolg, doch ohne große Leidenschaft.
     
     
    Grüner Hof, Hauptquartier
des Herrscherhauses Lud

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