Die Hexe
dass jemand versucht, uns gegeneinander auszuspielen.« Gori schnäuzte sich abermals. »Ich glaube ihm das. Und deswegen bin ich hier. Streck deine Fühler aus, Chamberlain. Du kennst doch Kornilow – der weiß über unsere Angelegenheiten fast so gut Bescheid wie wir selbst.«
Für zwei oder drei Minuten herrschte Schweigen im Gästezimmer, nur die brennenden Holzscheite knackten heimelig, dann erhob sich der alte Bandit und sagte mit dem Rücken zu Gori gewandt: »Ich werde meine Fühler ausstrecken, Kacha. Und wenn ich das Schwein finde, hörst du von mir.« Er machte einen Schritt in Richtung Tür, dann blieb er nochmals stehen und setzte hinzu: »Jumbo und die Schaukel – damit habe ich nichts zu tun. Aber ich kann mir schon vorstellen, wer dahintersteckt. «
KAPITEL SECHS
»Die Auftritte von Professor Serebrjanz in beinahe allen
größeren Fernsehsendern haben die Gesellschaft zweifel-
los erschüttert. Der Moskauer Bürgermeister und General
Schwedow haben nun in einer gemeinsamen Erklärung
äußerst zurückhaltend auf die Darstellungen des Profes-
sors reagiert. Polizei und Stadtregierung fordern die Be-
völkerung auf, Ruhe zu bewahren, und betonen, dass
Serebrjanz’ Kompetenz in Fachkreisen äußerst umstrit-
ten sei …«
PERWY KANAL
»Das Herrscherhaus Tschud hat die Behauptung des Grünen Hofs, wonach sich der Armreif der Fate Mara im Besitz des Ordens befindet, offiziell zurückgewiesen: ›Diese Behauptung ist absurd und verantwortungslos. Wir behalten uns angemessene Schritte vor‹ …«
T-GRAD-COM
Bar Rennsemmel
Moskau, Bolschaja-Dmitrowka-Straße
Samstag, 30. September, 13:33 Uhr
Zum Gast der Woche in der Rennsemmel wurde diesmal Sargnagel erkoren. Ein vergrößertes Porträtfoto des Helden vom vorvergangenen Tag schmückte eine freie Stelle an der Wand hinter dem Tresen und die Besucher tranken fleißig auf das Wohl des heldenhaften Kämpfers. Das einzige Foto, das Gonzo in der Kürze der Zeit hatte auftreiben können, stammte allerdings aus dem Polizeiarchiv, deshalb strahlte der Gesichtsausdruck des schneidigen Uibujen ein gewisses Missvergnügen aus. Den Sympathiekundgebungen für den Retter der Rennsemmel tat dies indes keinen Abbruch.
Die nahezu gleichzeitig eintreffenden Söldner nahmen am hintersten Tisch des Lokals Platz und bestellten sich Kaffee. Um Gonzos Koffeinbomben rankten sich Legenden.
»Dann tauschen wir mal aus, was wir herausgefunden haben«, schlug Cortes vor, als der Kellner sich entfernt hatte und das schwarze Gebräu seine delikaten Röstaromen verströmte. »Wer fängt an?«
»Immer der, der fragt«, witzelte Artjom.
»Na gut.« Cortes nippte an seinem Kaffee. »Ich habe mich mit Barbara Iljinitschna Morkowina unterhalten. Die Dame ist euch sicher bekannt.«
»Natürlich«, nickte Jana. »Sie arbeitet in einer Zaubereischule des Grünen Hofs. Es heißt, dass sie beinahe alle Humo-Magier kennt.«
»So ist es«, bestätigte Cortes. »Zumindest all jene, die sich in den letzten vierzig Jahren in der Verborgenen Stadt registrieren ließen. Die alte Frau wusste interessante Dinge zu berichten.«
»Stimmt es, dass die Morkowina keine Söldner mag?«, erkundigte sich Jana. »Das habe ich mal gehört.«
»Kann man so sagen«, erwiderte Cortes zerstreut. »Sie war nicht gerade beglückt über meinen Besuch. Um euch nicht mit überflüssigen Details zu langweilen, komme ich gleich zum Wesentlichen. Barbara Iljinitschna hat unsere Befürchtungen bestätigt: Kara ist tatsächlich eine mächtige Zauberin. Nach Ansicht der alten Dame hat sie mindestens das Niveau einer Priesterin des Grünen Hofs.«
»Ups!«, entfuhr es Artjom.
Die Einstufung Karas auf einer Ebene mit den höchsten Magierinnen des Herrscherhauses Lud war trotz allem eine Überraschung, zumal wenn man bedachte, dass unter den Humos selbst mittelmäßige Zauberer schon zu den Ausnahmen gehörten.
»Außerdem kennt sie sich in vielen Spezialbereichen der Magie hervorragend aus und erweitert ständig ihr Wissen.«
»Wie konnte sie es in der kurzen Zeit so weit bringen? «, wunderte sich Artjom. »Diese Kara ist doch – nach allem was wir wissen – höchstens …«
»Inzwischen wissen wir mehr über sie«, unterbrach Cortes seinen Kompagnon. »Äußerlich sieht Kara tatsächlich nicht älter als vierzig aus. Sie hat sich aber schon vor dreißig Jahren an Barbara Iljinitschna gewandt, um sich eine neue Identität für die Verborgene Stadt zu besorgen. Und die alte Dame
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