Die Hexe
weitergegeben und aufbewahrt.«
»Und sich von Zeit zu Zeit kleinere Gemeinheiten für die Verborgene Stadt ausgedacht«, ergänzte abermals Cortes. »Damit niemand vergisst, wer der Herr im Haus ist.«
»Die bekannteste Gemeinheit hat sich der Schotte Jakob Bruce ausgedacht, der letzte bekannte Hüter des Schwarzen Buches. Er hat es fertiggebracht, mitten in der Verborgenen Stadt einen Turm zu errichten, den nur Humos betreten können.«
»Den Sucharew-Turm.«
»Die Herrscherhäuser hat das seinerzeit mächtig beeindruckt. «
»Kann ich mir vorstellen«, sagte Artjom. »Warum wurde der Turm zerstört?«
»Die Kommunisten«, seufzte Jana. »Dieses ungebildete Gesindel war noch schlimmer als heutzutage die Rothauben. Sie haben alles ruiniert, was ihnen in die Finger kam, und der Dunkle Hof hat das geschickt ausgenutzt. «
»Hat er die Kommunisten bezahlt?«
»Vielleicht.« Die Söldnerin zuckte mit den Achseln. »Spielt auch keine Rolle. Der Turm wurde bis auf den letzten Ziegelstein zerlegt, aber gefunden wurde nichts. Das Schwarze Buch war verschwunden.«
»Weiß man denn sicher, dass es im Turm aufbewahrt wurde?«
»Es war der sicherste Ort in ganz Moskau.«
»Die Bibliothek Iwans des Schrecklichen wird an einem noch sichereren Ort aufbewahrt«, wandte Artjom ein.
»Da hast du allerdings Recht«, gab Jana zu. »Wie auch immer, das Buch wurde nicht gefunden. Und die Möglichkeiten, über die Kara verfügt, kann sie nur aus dem Schwarzen Buch schöpfen.«
»Die Hüterin des Schwarzen Buches«, wiederholte Cortes nachdenklich und wandte sich an seinen jungen Partner. »Hast du auch irgendwas herausgefunden, Artjom, oder ist deine ganze Energie beim Abendessen mit der hübschen Fee draufgegangen?«
»Du hast dir im Grünen Hof eine Freundin angelacht?« In Janas blauen Augen leuchtete glühende Neugier.
»Sie ist ein Humo«, winkte Artjom ab. »Verdammt hübsch und naturblond, deshalb denken alle, sie sei eine Fee.«
»Also, was hast du herausgefunden?«, kam Cortes zum Thema zurück.
»Ich habe mit einigen zweitklassigen Zauberern gesprochen«, berichtete Artjom. »Sie kennen Kara, verspüren aber offenbar wenig Neigung, sich über sie auszulassen. «
»Haben sie Angst vor ihr?«
»Angst würde ich nicht sagen …« Artjom rieb Daumen und Zeigefinger aneinander auf der Suche nach dem richtigen Wort. »Eher Respekt. Die Humos ahnen, dass Kara eine sehr mächtige Zauberin ist, und sprechen fast schon ehrfürchtig über sie. Außerdem kümmert sich Kara persönlich um die Ausbildung talentierter Nachwuchszauberer und baut sich schrittweise eine verlässliche Anhängerschaft auf. Unter den Humos wächst die Überzeugung, dass sie sich damit auf einen Kampf gegen die Verborgene Stadt vorbereitet.«
»Nur vorbereitet?«, flocht Jana ein. »Und was ist mit den jüngsten Vorfällen?«
»Willst du damit andeuten, dass Kara dahintersteckt? «, fragte Cortes.
»Du hast doch selbst gesagt, dass die Hüter die Verborgene Stadt von Zeit zu Zeit aufs Korn nehmen.«
»Schon. Dabei geht es aber um eine Machtdemonstration und nicht um Kriegshandlungen.«
»Der trottelige Serebrjanz ruft in allen Fernsehsendern zum Kampf gegen die Humanoiden auf«, sagte Jana. »Wenn hinter ihm Kara steht, dann handelt es sich tatsächlich um einen Frontalangriff auf die Verborgene Stadt.«
»Aber was will sie damit erreichen?«, rätselte Artjom. »Die Kontrolle über die Verborgene Stadt? Das macht keinen Sinn.«
»Kara verfolgt mit Sicherheit ein ganz konkretes Ziel.« Cortes runzelte die Stirn. »Aber dieses Ziel ist gewiss nicht die Vernichtung der Verborgenen Stadt.«
»Wer weiß?«, spekulierte Jana. »Vielleicht waren die früheren Hüter einfach nur weiser und friedliebender, während Kara einen Genozid anstrebt.«
»Das glaube ich nicht.« Cortes schüttelte den Kopf. »Alle bisherigen Hüter haben die Verborgene Stadt stets in ihre Schranken gewiesen, jedoch niemals Maßnahmen darüber hinaus ergriffen, so als wäre dies ein ungeschriebenes Gesetz. Man kann davon ausgehen, dass die Bibliothek Iwan des Schrecklichen Wissen enthält, das es ermöglichen würde, die Verborgene Stadt zu vernichten. Doch dieses Wissen wurde bewusst unzugänglich gemacht, indem man die Bibliothek versteckte und nur das Schwarze Buch weitergab. Das Ziel des Status quo, besser gesagt eines Gleichgewichts der Kräfte, war also von Anfang an angelegt. Die Krise, die Kara jetzt heraufbeschwört, zielt nicht darauf ab, die Verborgene Stadt zu
Weitere Kostenlose Bücher