Die Hexe
küsste Inga zärtlich auf den Hals und ließ nicht locker: »Und diese Dings, wie heißt sie noch? Kara. Wieso meinst du, dass sie für uns interessant sein könnte?«
Nun war es aber genug! Inga musste sich eingestehen, dass die Unterhaltung alles andere als planmäßig verlief. Die Zärtlichkeiten des Söldners waren offenkundig aufgesetzt, denn er blieb völlig emotionslos dabei und fragte sie auch noch ungeniert aus.
Anscheinend findet er tatsächlich nichts an mir, dachte Inga frustriert. Na gut, mein Lieber, dann müssen wir eben zu anderen Mitteln greifen.
Nachdem es mit dem Verführen nicht geklappt hatte, trat nun Plan B in Kraft: Ein Lustschleier würde seine Wirkung gewiss nicht verfehlen.
Die Krallen des Wachsamen Habichts kribbelten auf Artjoms Schulterblatt und bedeuteten ihm, dass die junge Dame unschöne Dinge mit ihm vorhatte. Auch das Emblem des Dunklen Hof reagierte auf den Impuls magischer Energie. Die Spielchen waren nun vorbei.
Inga murmelte einige unverständliche Worte.
»Hast du was gesagt, Inga?«
Das sauertöpfische Gesicht des Söldners verriet nicht den geringsten Anflug sexueller Erregung. Was war denn mit dem los? Impotent womöglich?
»Halt mich fester, Artjom.« Inga rekelte sich lasziv. »Du hast doch Lust auf mich, nicht wahr?!«
»Netter Versuch, das mit dem Lustschleier «, spottete Artjom. »Guck mal ein Stück an dir runter.«
Inga war konsterniert und blickte ungläubig an sich herab. An ihrer Brust, wo Artjom sie gerade noch zärtlich gestreichelt hatte, war ein Anstecker in Form eines Haifischs befestigt.
»Du Mistkerl!«
Das kleine Artefakt war mit einem Fischernetz aufgeladen, einem mächtigen Zauber, der den Fluss magischer Energie blockierte. Inga hätte in diesem Moment keinen noch so primitiven Zauber wirken können. Wenn man das Artefakt jedoch entfernte …
»Tut mir leid, Inga.« Artjom drehte ihr geschickt die Arme auf den Rücken und legte ihr Handschellen an. »Eine reine Vorsichtsmaßnahme.«
»Das hattest du von Anfang an geplant!« Inga war vor Wut und Enttäuschung den Tränen nah.
»Die Wohnungstür ist gesichert«, sagte der Söldner geschäftig. »Mit welchem Zauber?«
»Rutsch mir doch den Buckel runter!«
»Wie du willst.« Artjom packte sie und stellte sie auf die Beine.
»Was hast du vor?«
»Ich öffne die Tür und schubse dich ins Treppenhaus hinaus. Womöglich ist dort ein Salamanderring aktiviert. «
Die rotblonde Lolita ließ die Schultern hängen.
»Du hast’s erfasst. Ein Salamanderring der dritten Kategorie.«
»Und wie kann man ihn deaktivieren?«
»Erst das obere Schloss öffnen, dann das untere, dann die Klinke drücken. Er deaktiviert sich automatisch.«
Artjom verschwand im Flur. Inga hörte Schlösser klacken, das Quietschen der sich öffnenden Tür und dann eine kichernde Frauenstimme, die Artjom nachäffte: »Ich fand auch deine Stimme sympathisch …«
Inga wurde klar, dass man sie die ganze Zeit belauscht hatte, und die Zornesröte stieg ihr ins Gesicht. Wie hatte sie sich nur so hereinlegen lassen können!
»Hallo, Inga!«
Eine schwarzhaarige Frau in einem teuren Geschäftskleid stöckelte ins Zimmer herein. Kurz darauf kam auch Artjom wieder zurück. Er trug einen großen Metallkoffer.
»Räum den Tisch frei«, kommandierte die Schwarzhaarige. »Und zeig mir, wo hier das Bad ist.«
»Einen Moment.« Der Söldner stellte den Koffer ab und räumte die Weingläser weg.
»Ich heiße Jana«, stellte die Schwarzhaarige sich vor. »Ich fürchte, wir werden dir ein paar unangenehme Fragen stellen müssen, meine Liebe.«
Moskauer Polizeipräsidium
Moskau, Petrowka-Straße
Samstag, 30. September, 15:20 Uhr
»Ich hätte nicht gedacht, dass Edik an Größenwahn leidet«, sagte Schustow nachdenklich, nachdem ihm Kornilow in knappen Worten die Ergebnisse von Professor Serebrjanz’ Vernehmung mitgeteilt hatte. »Ich hielt ihn immer für den besonnensten und klügsten Mafioso der Stadt.«
»Offenbar haben ihn Karas Versprechungen dazu verleitet, unvorsichtig zu werden«, mutmaßte Andrej.
»Du meinst, es geht ihm um Macht?« Schustow schüttelte den Kopf. »Davon hat er doch mehr als genug. «
»Das würde ich so nicht sagen.« Kornilow zündete sich eine Zigarette an. »Jeder Kriminelle spürt einen Makel auf sich lasten. Die Gesellschaft verachtet ihn, und egal wie viel Geld er zusammenrafft, er wird immer ein Ausgestoßener bleiben. Edik ist da keine Ausnahme. Er möchte sich rehabilitieren und
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