Die Hexe
breitschultrige Dunkan Glor, ein grimmiger Kriegskommandeur, blickte stoisch auf seine Bildschirme und gähnte demonstrativ. Die Fate Lada runzelte die Stirn und sah versonnen aus dem Fenster.
»Na gut, dann eben nur für mich«, konstatierte Boga achselzuckend und gab seine Bestellung an den Kantinenmitarbeiter durch: »Das zweigängige Mittagsmenü, dazu Erdbeerdessert und eine große Portion Kaffee.« Er legte den Hörer auf und machte ein zufriedenes Gesicht. »Wenn sich der Magen meldet, muss ich sofort etwas essen, sonst bekomme ich Unterzucker und werde unausstehlich. «
»Wenn ich so viel essen würde, würde ich platzen«, kommentierte die mollige Fate Lada mit einem neidischen Seitenblick auf die schlanke Figur des Nawen.
»Das ist ja das Geheimnis«, erklärte Boga und lächelte der hübschen Zauberin freundlich zu. »Man muss immer rechtzeitig und das Richtige essen, dann wird die Mahlzeit auch vollständig in Energie umgewandelt.«
Die gute Laune des Nawen fand indes wenig Widerhall. Die Fate drehte den Kopf wieder zum Fenster und Dunkan brummelte nur etwas Unverständliches vor sich hin.
Angesichts der dramatischen Ereignisse in der Verborgenen Stadt reduzierte sich die Kommunikation zwischen den drei Kollegen auf ein Minimum. Die Fate Lada war davon überzeugt, dass der Orden das Blutbad an der Ismailowskoje Chaussee zu verantworten hatte, und hätte dem breitschultrigen Kriegskommandeur am liebsten einen hübschen kleinen Kugelblitz in die rotbärtige Visage geschleudert.
Dunkan Glor seinerseits hegte durchaus feindselige Gefühle gegenüber dem schwarzhaarigen Nawen, der immer nur ans Essen dachte, und gegenüber der weißblonden Hexe, die schon beim Gedanken an Nahrungsaufnahme dick zu werden schien.
Klare Sache, dachte Dunkan, der Dunkle Hof steckt mit den grünen Hexen unter einer Decke. Sie haben Franz de Geer reingelegt und sich gegen den Orden verbündet. Aber wartet nur, euch werden wir’s zeigen!
Was genau es den mutmaßlichen Feinden zu zeigen galt, hätte der Kriegskommandeur wohl nicht zu sagen vermocht, doch dies minderte nicht sein Misstrauen gegenüber den beiden.
»Kollegen, wäre es nicht besser wir würden uns vertragen? «, sagte Boga versöhnlich. »Wir sind schließlich im Dienst.«
»Eben, um so mehr ein Grund, sich auf die Arbeit zu konzentrieren«, presste Dunkan zwischen den Zähnen hervor und trommelte missmutig mit den Fingern auf dem Tisch.
Der Tschud hatte die nervtötendste Aufgabe: Er war für die magische Abschirmung der Glasfaserkabel zuständig und musste verhindern, dass Unbefugte ins Leitungsnetz eindrangen. Auf seinen vier Bildschirmen flimmerten bunte Schaltpläne, die er nach Möglichkeit nicht aus den Augen lassen durfte. Die Fate Lada hatte einen vergleichsweise übersichtlichen Job: Sie überwachte die Server der T-Grad-Com. Der meist heiter gestimmte Naw Boga war für die magische Absicherung des Gebäudes verantwortlich. Er kontrollierte ein dichtes Netzwerk von Schutzzaubern, das jeden Versuch, ins mediale Herz der Verborgenen Stadt einzudringen, bereits im Keim ersticken sollte.
»Aber ja, Bidjar, ich leihe Cortes Geld für die Pokerrunde«, sagte Jegor Bessjajew schmunzelnd. »Oder zweifelst du an meiner Liquidität? – Was? An meinem gesunden Menschenverstand?« Der Vizepräsident der T-Grad-Com nahm dem Schatyren seine Skepsis nicht krumm. »Kann schon sein, dass es schiefgeht, aber ich denke nicht daran zu kneifen. Cortes hat gesagt, dass es eine Revanche gibt, und ich bin dabei. Habt ihr schon einen Termin ausgemacht? – Okay, ich warte auf deinen Anruf.«
Bessjajew verließ sein Büro und steckte im Gehen sein Mobiltelefon in die Tasche.
»Falls jemand nach mir fragt – ich bin im Büro von Microsoft. Ich habe dort in vierzig Minuten einen Termin und weiß noch nicht, wie lange es dauern wird. Ich komme aber auf jeden Fall nochmal ins Büro zurück.«
»Jegor, soll ich Ihnen nicht eine Leibwache organisieren? «, fragte Marina vorsichtig. »In der Stadt herrschen kriegsähnliche Zustände, haben Sie die Nachrichten gesehen? «
»Liebe Marina!«, Jegor blieb in der Tür stehen. »Das ist ja nett gemeint, aber wer sollte schon etwas von mir wollen?«
Die Sekretärin zuckte mit den Achseln. »Wer hatte es denn nötig, den Chwanen reinzulegen?«
»Dann frage ich mal andersherum«, lächelte der Vizepräsident. »Wer wäre so verrückt, mich anzugreifen?«
»Es laufen offenbar genug Irre in der Stadt herum.«
»Ach was!«
Der
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