Die Hexe
trat an Doktors Schreibtisch heran. »Wo treibst du dich rum?«
»Lass mich in Ruhe!«
»Du Idiot!« Mitja stieß den Brillenträger vom Computer weg. »Hast du das immer noch nicht kapiert? Es wird nicht gehackt!«
»Was soll ich denn sonst machen?«, fuhr Doktor den breitschultrigen Mitja an. »Auf Pornoseiten surfen so wie ihr?«
»Wenn du keinen Bock auf Pornoseiten hast, dann lies ein Buch oder mach sonst was!«, versetzte Mitja. »Uns ist doch auch langweilig! Aber der Boss hat uns ausdrücklich verboten, in irgendwelche Systeme einzudringen, wir dürfen nicht auffallen! Ich habe keine Lust, mir wegen dir eine Kugel einzufangen!«
»Nicht auffallen! Und wozu?«, ereiferte sich Doktor. »Wo ist denn der Superhack, den der Boss angekündigt hat? Jetzt sitzen wir schon die zweite Woche nur herum und surfen im Internet. Bis der mal zu Potte kommt, sind unsere Kisten verrostet.«
»Mach mal halblang, Doktor«, sprang Admin Mitja bei. »Die Kisten hast schließlich nicht du bezahlt und für einen Tausender am Tag kann man sich auch mal langweilen.«
Missmutig blickte der Strubbelkopf im Raum umher, der mit Computern vollgestopft war. Der Boss hatte sich tatsächlich nicht lumpen lassen und den Hackern die beste, schnellste und teuerste Ausrüstung zur Verfügung gestellt. Mit diesen Superrechnern hätte man auch ins Netzwerk der FAPSI eindringen können. Schon zu Beginn des Projekts hatte sich Doktor über die Freigiebigkeit des Auftraggebers gewundert. Was hatten er und Mitja für große Augen gemacht, als sich herausstellte, dass außer ihnen auch Admin zum Team stoßen würde, der legendäre Hacker, den der mächtige Boss extra aus Samara abgeworben hatte! Und dann erst das Ziel der Aktion! Jedes Mal, wenn er daran dachte, begannen ihm die Hände zu zittern.
In den ersten Tagen hatten die Hacker in stiller Vorfreude ihre Ausrüstung zusammengebaut und einsatzbereit gemacht. Sie waren darauf vorbereitet, dass jeden Moment das Kommando zum Angriff erfolgen könnte. Doch dann verzögerte sich die Sache unerwartet und nun hockten sie schon seit über einer Woche ununterbrochen in der jämmerlichen Dreizimmerwohnung am Moskauer Stadtrand. Sie trauten sich nicht einmal, ins Freie zu gehen, surften gelangweilt im Internet und reagierten von Zeit zu Zeit ihren Frust aneinander ab.
Das einzige Gute daran war die Bezahlung – drei dicke Umschläge, die ein Bote jeden Morgen in die Wohnung brachte. Für den Hackerangriff selbst hatte der Boss jedem Teammitglied zweihunderttausend versprochen und für jeden Tag erzwungener Untätigkeit bezahlte er einen Tausender pro Mann. Dafür konnte man sich auch mal eine Weile einsperren lassen.
»Trink lieber deinen Kaffee«, empfahl Admin.
»Formatier dir doch die Festplatte«, konterte Doktor und griff nach seiner Tasse.
KAPITEL ACHT
Städtisches Mietshaus
Moskau, Kastanajewskaja-Straße
Samstag, 30. September, 16 :12 Uhr
Der Zielpunkt des Portals befand sich im Treppenhaus. Zuerst hatte Kara ihn direkt in die Wohnung legen wollen, doch von dieser Idee war sie rasch wieder abgekommen, um bei den Hackern keine Irritationen auszulösen. Der große Respekt, den die Computerspezialisten für ihren neuen Boss empfanden, wäre womöglich in religiöse Verehrung umgeschlagen.
Die Zauberin stellte eine Schüssel Wasser auf den Tisch und sprach eine Zauberformel. Auf der Wasseroberfläche erschien das leere Treppenhaus. Nun konnte es losgehen. Kara aktivierte das Portal, trat einen Schritt nach vorn und stand im selben Augenblick vor der Wohnungstür der Hacker. Nun musste sie nur noch ihr äußeres Erscheinungsbild korrigieren. Die jungen Männer hätten sonst nicht schlecht gestaunt, ihren großzügigen und anspruchsvollen Boss in einem knappen Kleidchen zu sehen. Nicht dass sie prinzipiell ein Problem mit Karas tiefem Ausschnitt gehabt hätten, sie waren jedoch der Meinung, für einen Mann zu arbeiten.
Kara murmelte einen weiteren Zauber, überzeugte sich von der erfolgreichen Verwandlung und betätigte den Klingelknopf.
»Der Boss!« Mitja öffnete die Tür und ließ den Chef herein. »Wir haben Sie schon sehnsüchtig erwartet.«
Die übrigen Hacker sprangen beflissen auf und wandten sich ehrerbietig zu dem großgewachsenen Mann im eleganten grauen Anzug. Das schwarze Haar des Auftraggebers war zu einem Seitenscheitel gekämmt und seine ebenso schwarzen, tief eingesenkten Augen bedachten die jungen Männer mit strengen Blicken.
»Die Aktion beginnt in
Weitere Kostenlose Bücher