Die Hexe
Hast du Bekannte unter den menschlichen Magiern?«
»Nicht viele.«
»Kennst du die Verliererbar ?«
»Natürlich.«
»Dort treiben sich viele Humo-Zauberer herum. Verbringe einige Abende in dem Schuppen und halte die Ohren auf, dann wirst du bestimmt das eine oder andere über Kara erfahren. Mir irgendjemandem muss sie schließlich Kontakt haben, Geschäfte machen oder meinetwegen ins Bett gehen.«
Der Mittelsmann blickte verstohlen zu dem Tisch hinüber, an dem Cortes mit seinen Leuten saß, und wischte sich nervös mit einem Taschentuch über die Stirn. Die Anwesenheit der Söldner war ihm augenscheinlich unangenehm, doch er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Erfolglos.
Der Mittelsmann war ein Humo. Nicht mehr ganz jung und offenbar auch nicht allzu erfolgreich. Jedenfalls hätte es in seinem Alter ruhig zu einem besseren Anzug reichen können, fand Muba, der dem Mittelsmann gegenübersaß. Andererseits konnte der Chwan durchaus nachvollziehen, dass seriöse Auftraggeber für einen solch heiklen Job nicht ihre besten Leute schickten, sondern lieber ein kleines Licht, das man im Bedarfsfall ohne Reue beseitigen konnte. Deshalb nippte Muba gelassen an seinem Kaffee und richtete den Blick seiner kalten blauen Augen auf den Mittelsmann.
»Jewgeni Grigorjewitsch, die Tatsache, dass Sie sich an mich wenden und mich auch noch gefunden haben, zeugt davon, dass Sie nicht schlecht informiert sind. Andererseits müssten Sie doch wissen, dass wir Chwanen nur in Ausnahmefällen Aufträge unmittelbar in der Verborgenen Stadt ausführen. Warum wenden Sie sich nicht an Söldner, die ausschließlich in der Stadt arbeiten? Zum Beispiel an Cortes, der dort drüben sitzt?«
»Cortes ist ein Allrounder.« Der Mittelsmann wischte sich abermals den Schweiß von der Stirn. »Wir suchen hingegen einen ausgewiesenen Spezialisten, der in der Lage ist, unseren Auftrag nicht nur zu erledigen, sondern ihn exakt so zu erledigen, wie wir es vorgeben. Bis ins kleinste Detail.«
Außerdem würde sich Cortes niemals dazu herablassen, einen ordinären Mordauftrag anzunehmen, dachte der Mittelsmann bei sich.
»Was meinen Sie mit der Formulierung bis ins kleinste Detail ?«, erkundigte sich Muba.
Der Mittelsmann beugte sich verschwörerisch über den Tisch.
»Wir wünschen uns eine öffentliche Hinrichtung: spektakulär, stilvoll und erbarmungslos. Der Auftraggeber ist kein großer Freund von Gewalt, doch wenn geschäftliche Interessen ihren Einsatz unumgänglich machen, ist er darauf bedacht, mit der Aktion den größtmöglichen Showeffekt zu erzielen.«
»Sehr vernünftig«, nickte Muba, der von Gewalt eine Menge verstand.
Die kleine Sippe der Chwanen gehörte zum Herrscherhaus Tschud und verstärkte die Armee des Ordens mit den Chamäleon-Marschällen, einer berüchtigten Spezialeinheit, die sich vor allem auf Terror und Sabotage verstand. In Kriegszeiten fürchteten die übrigen Bewohner der Verborgenen Stadt die Vasallen der Tschuden wegen ihrer Skrupellosigkeit und ihrer angeborenen Brutalität. Selbst die Nawen hatten durchaus Respekt vor den vierarmigen Kriegern. In Friedenszeiten verdienten sich die Chwanen ihren Lebensunterhalt mit Spezialaufträgen von Geschäftsleuten, die ein gestörtes Verhältnis zur freien Marktwirtschaft hatten. Im Klartext: Muba war ein erstklassiger und hochbezahlter Killer.
»Wie stellt sich der Auftraggeber die Operation vor?«
Der Mittelsmann leckte sich über die Lippen.
»Der Klient muss mit einem Messer, an einem belebten Ort und im Beisein seiner Leibwächter ins Jenseits befördert werden – je mehr Blut fließt, desto besser.«
»Nicht schlecht ausgedacht«, lobte der Chwan. »Das Opfer soll also möglichst effektvoll beseitigt werden. Wer ist denn der Glückliche?«
»Hier ist ein Foto.«
Muba betrachtete das Bild eine Weile, dann gähnte er.
»Ein Abkömmling aus euren südlichen Kolonien, etwa 130 Kilo schwer, drogensüchtig, spritzt sich seit zwei Jahren mindestens eine Dosis Heroin pro Tag.«
»Imponierende Beobachtungsgabe«, kommentierte der Mittelsmann beeindruckt.
»Jewgeni Grigorjewitsch«, sagte Muba und gähnte abermals. »Zur Ausführung des Auftrags brauche ich genauere Informationen.«
»Die finden Sie auf der Rückseite des Fotos.«
»Gut.« Der Chwan steckte das Foto mit der unteren linken Hand in die Tasche, griff unterdessen mit der oberen rechten nach seiner Kaffeetasse, trank einen Schluck und setzte hinzu: »Berichten Sie mit ihren eigenen Worten,
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