Die Hexe
Intelligenz. « Zorro hatte erst vor zwei Tagen den ersten Teil von Der Pate gesehen und fühlte sich nun bemüßigt, Zitate daraus anzubringen. »Behalte diese Schwachköpfe im Auge und pass auf, dass sie keinen Mist bauen. Edik hat klare Anweisungen gegeben, und wenn irgendwas schiefgeht, hältst du die Rübe dafür hin, klar?«
»Okay, okay, klar!« Lolly klappte sein Mobiltelefon ein und blickte genervt zu seinem Kompagnon auf dem Beifahrersitz. »Scheiße, Pitbull, sieht so aus, als müssten wir hier bis zum Schluss die Stellung halten.«
»Kein Thema, Lolly, was sein muss, muss sein.«
Der fette Pitbull drehte seinen Stiernacken zur Seite und spuckte geräuschvoll aus dem Fenster des Jeeps. Dann rollte sein schwerer Kopf wieder zurück und ein neuer Schwall üblen Mundgeruchs waberte durch den Fahrgastraum. Lolly war mit einem überaus robusten Organismus gesegnet, doch dieser bestialische Gestank nach Alkohol und Fäulnis löste selbst bei ihm Brechreiz aus. Um den nagelneuen Jeep nicht zu besudeln, stieg Lolly aus, atmete auf und trat gelangweilt mit dem Schuh gegen den dicken Reifen des Geländewagens.
Warum in aller Welt hatte Edik sie zu diesem Deppenjob abkommandiert? Die Glatzen würden das doch auch alleine hinbekommen. Als ob die noch nie eine Kneipe abgefackelt hätten. Reingehen, alles in Schutt und Asche legen und tschüss – fertig.
Verächtlich betrachtete Lolly das blankgewienerte Kneipenschild: Rennsemmel – was für ein idiotischer Name! Sicher eine Schwulenkneipe oder so. Und dazu noch teuer. Mitten in der Stadt und mit eigenem Parkplatz über die halbe Straße. Und alles picobello sauber. Sogar die Fassade sah aus wie frisch gestrichen.
Lolly rückte die Pistole in seinem Schulterholster zurecht und ging um den Wagen herum, als ihm plötzlich erneut Gestank entgegenschlug. Pitbull steckte den Kopf aus dem Fenster und atmete in seine Richtung.
»Wie sieht’s aus, Brüderchen, kommen die bald? Ich müsste dringend mal ein Bier nachfüllen.«
Lolly blickte zur Uhr: »Sie müssten jeden Augenblick aufkreuzen. Aber wer weiß schon, ob man sich auf diese Missgeburten verlassen kann.«
Kurz darauf erschienen in einer Seitenstraße einige minderjährige Skinheads in schwarzen Bomberjacken.
Anstelle der bestellten zwei stellten die vom Tresen zurückgekehrten Kämpfer vier neue Flaschen auf den Tisch. Trotz des steigenden Schuldenbergs zauberte der Anblick des reichlichen Nachschubs ein Lächeln auf die von Natur aus grimmigen Visagen der Rothauben. Ihre Gehirne benötigten den Whiskey dringender als Sauerstoff, und nun, da jeder von ihnen fast eine Flasche Jim Beam getankt hatte, näherten sie sich ihrer geistigen Höchstform.
»Irgendwie kommen wir schon zu Geld«, verkündete Sargnagel optimistisch. »Immerhin sind wir der beste Rothauben-Trupp! Jeder Schatyr würde uns bedenkenlos im Voraus bezahlen.«
»Im Voraus klingt gut. Aber wofür?«, erkundigte sich der vorlaute Amboss.
Es war allgemein bekannt, dass die Schatyren sich ihre Geschäftspartner sehr sorgfältig aussuchten.
»Für gute Arbeit«, erwiderte Sargnagel bestimmt. »Ich habe gehört, dass die Handelsgilde gerade eine Wachmannschaft für eines ihrer Lager sucht.«
Die Rothauben sahen den Uibujen voller Hochachtung an. Ein Auftrag der Handelsgilde versprach ein ordentliches Honorar.
»Wieso sollten die Schatyren es nötig haben, sich Wachleute zu suchen?«, warf abermals Amboss ein, wobei er das Wort suchen besonders betonte.
Der Uibuj bedachte den pedantischen Kämpfer mit einem vernichtenden Blick und räumte dann kleinlaut ein: »Es handelt sich um ein Sammellager in Sibirien, irgendwo bei Krasnojarsk.«
Die Rothauben machten lange Gesichter.
»Dem Barkeeper brechen wir sämtliche Knochen!«, krächzte der Anführer der Skinheads, die sich an der Eingangstür der Rennsemmel versammelt hatten. »Und verarztet mir auch die Gäste so, dass keiner von ihnen seinen Arsch hier aus eigener Kraft herausschleppt.«
Die Brutalität des Anführers erklärte sich dadurch, dass er große Hoffnungen mit diesem Auftrag verband. Im Falle einer tadellosen Erledigung des Jobs war damit zu rechnen, dass die Auftraggeber auf den Leader der Aktion aufmerksam würden. Und, wer weiß, mit ein bisschen Glück würden die Gangster ihm vielleicht sogar anbieten, ständig für sie zu arbeiten. In der Vorstellung des halbstarken Glatzkopfs waren dies paradiesische Aussichten: Geld im Überfluss, hübsche Mädchen, coole Autos.
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