Die Hexe
dir in der Eidechse vorgestellt, als wir uns kennenlernten.«
»Ach ja, ich erinnere mich«, erwiderte de Coulier beflissen, obwohl er sich an die erste Begegnung mit Inga nur sehr nebelhaft erinnern konnte.
Richtig, damals war er mit Bekannten in der Eidechse gewesen – der junge Chris feierte die Verleihung der Ritterwürde. Die ganze Gesellschaft war ziemlich betrunken, da sie schon in der Burg ordentlich vorgeglüht hatte. Als sich dann später zwei hübsche Mädchen an den Nebentisch setzten, befand sich der Alkoholpegel der Ritter bereits jenseits von Gut und Böse. Eine der beiden Schönheiten war Inga gewesen, die andere – hm – schon möglich, dass sie Lisotschka hieß.
»Und was hat deine Freundin damit zu tun?«, wunderte sich Antoine.
»Lisotschka ist mit Turid Turtschi befreundet. Kennst du ihn?«
»Sicher«, nickte der Ritter. Die massive Gestalt eines der Direktoren der Handelsgilde war ihm schon bei diversen Veranstaltungen über den Weg gelaufen. Turid war Witwer und mehrfacher Vater, und deshalb drehten ihm die konservativen Schatyren keinen Strick daraus, dass er sich notorisch Affären mit Humo-Frauen leistete. »Ich verstehe aber immer noch nicht, was deine Freundin und die Tatsache, dass sie mit Turid Turtschi schläft, mit der Sache zu tun haben.«
»Eins nach dem anderen. Ich habe Lisotschka vorgestern getroffen – übrigens hat sie damit geprahlt, dass Turid ihr eine kostbare Perlenkette geschenkt hat.«
Eine Perlenkette? – Mist, dachte Antoine bei sich, da werde ich wohl in nächster Zeit mit ein paar Ohrringen nachlegen müssen.
»Turid hat Lisotschka im Vertrauen erzählt, dass Bogdan von Santiago getötet worden sei.«
»Das ist doch nichts Neues«, entgegnete de Coulier genervt. »Davon spricht doch die ganze Verborgene Stadt.«
»Schon. Aber niemand in der Verborgenen Stadt spricht davon, dass Santiago Bogdan le Sta ein Manuskript mit einem verbotenem Zauber untergeschoben hat. Dabei handelte es sich offenbar um ein Traumarkan , und als der Kriegskommandeur sich daran machte, dieses Arkan in die Tat umzusetzen, hat Santiago ihn bezichtigt, einen verbotenen Zauber zu wirken, und ihn kurz darauf getötet. Turid behauptet, Santiago habe die Sache von langer Hand geplant und Bogdan bewusst in die Falle gelockt.«
Inga ging keinerlei Risiko ein: Sie wusste, dass Turid und Lisotschka die Stadt für längere Zeit verlassen hatten.
»Und warum sollte der Kriegskommandeur ein Traumarkan wirken?«, fragte Antoine. »Es hat ihm doch an nichts gefehlt.«
»Keine Ahnung«, erwiderte Inga achselzuckend. »Ich erzähle dir nur, was ich gehört habe.«
»Unsinn.« Der Ritter legte unschlüssig die Stirn in Falten. »Warum unternimmt dann der Kriegsmeister nichts? Wenn er wüsste, dass es sich um eine Intrige gehandelt hat, wäre er verpflichtet, den Ordensrat einzuberufen und dem Dunklen Hof ein Ultimatum zu stellen. Der Mord an einem Kriegskommandeur würde sogar eine Kriegserklärung rechtfertigen.«
»Sofern der Kriegsmeister überhaupt ein Interesse daran hat, die Sache aufzuklären.« Inga streckte sich aufreizend und ihre festen Brüste streiften über Antoines Haut.
»Wie meinst du das?«
»Es ist doch allgemein bekannt, dass Bogdan le Sta äußerst talentiert war und mit dem Posten des Kriegsmeisters geliebäugelt hat.«
Es dauerte einige Momente, bis der Ritter verstand, worauf seine Liebhaberin hinauswollte, dann schüttelte er entrüstet den Kopf.
»Erzähl mir doch keinen Stuss! Bogdan war der beste Freund von Franz de Geer. Und überhaupt: Im Orden gibt es so etwas nicht!«
»Natürlich nicht«, entgegnete Inga ironisch. »Trotzdem gibt es nur einen Kriegsmeisterposten. Ein zweiter ist meines Wissens nicht vorgesehen.«
Wäre der Magister der Drachenloge nur ein wenig aufmerksamer gewesen, dann wäre ihm gewiss aufgefallen, wie verdächtig gut informiert seine Gespielin sich zeigte, wie berechnend ihre schwarzen Augen funkelten und wie leicht sie ihn um den Finger wickelte. Doch Antoine achtete nicht auf solche Äußerlichkeiten, sondern stand ganz im Bann der fürchterlichen Behauptung, die seine Freundin in den Raum gestellt hatte.
»Willst du damit sagen, dass der Kriegsmeister nichts unternommen hat, um Bogdans Tod zu verhindern?«
»Bilde dir selbst eine Meinung«, schlug Inga vor. »Andernfalls hätte er die Geheimniskrämerei doch nicht nötig, oder?«
»Unsinn«, zischte de Coulier, doch sein Widerstand bröckelte bereits.
»Vielleicht ist es
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