Die Hexe
Er warf einen neidvollen Blick auf den dicken Mercedes-Jeep, mit dem die Auftraggeber vorgefahren waren, und wandte sich dann abermals an seine Gang.
»Alle klar soweit?«
»Sollen wir die Bude anzünden?«
»Logisch, aber erst kurz bevor wir wieder abziehen, nicht dass wir uns selber den Hintern anzünden.«
»Wir sind doch nicht doof.«
Die Skinheads zückten ihre Ketten, Baseballschläger, Messer und Eisenrohre und öffneten mit Fußtritten die Eingangstür der Bar.
Als Erster reagierte Sargnagel. Der Whiskey hatte sein Gehirn in Schwung gebracht und …
Nein, in Wahrheit erfasste Gonzo als Erster die Situation. Als er das Gepolter an der Eingangstür vernahm, griff er sofort nach seiner Walther-Gaspistole, die er für solche Fälle unter dem Tresen deponiert hatte, und schoss auf die eindringenden Skinheads. Die antworteten mit Steinwürfen und erst jetzt reagierten die Rothauben.
»Vorwärts, wir müssen unserem Gläubiger helfen!«, brüllte Sargnagel und sprang auf.
»Aber bringt niemanden um!«, schrie Gonzo. »Ich kann hier keine Leichen brauchen!!«
Die Rothauben begriffen, welch erstklassige Gelegenheit sich ihnen bot, den bisher schwarz konsumierten Whiskey abzuarbeiten, und gingen mit größter Entschlossenheit zu Werke.
Die an Schlägereien gewöhnten Kämpfer zogen ihre Yatagane und stürzten sich auf die verdutzten Halbstarken, die auf Widerstand überhaupt nicht vorbereitet waren.
Anfangs versuchten die Skinheads noch, sich zu wehren, und schlugen hilflos mit ihren Ketten und Eisenstangen um sich. Doch die bulligen Zwerge mit den schwarzen Lederklamotten und roten Kopftüchern kauften ihnen schon bald den Schneid ab. Mit ihren rasiermesserscharfen Klingen zerfetzten sie die Bomberjacken der Eindringlinge und – was das Schlimmste war – hieben gezielt nach ihren Ohren. Der Tumult in der Rennsemmel dauerte nur wenige Sekunden, dann wandten sich die Skinheads zur Flucht.
»Ich hoffe, wir sind quitt, Gonzo?«, erkundigte sich Sargnagel, nachdem der letzte Halbstarke das Weite gesucht hatte.
Der Blick des Barkeepers schweifte prüfend über die kaum beschädigte Einrichtung seiner Bar, dann nickte er zufrieden mit dem Kopf.
»Ich schulde euch noch zwei Flaschen.«
Irgendetwas lief da schief …
Die Skinheads hatten wie vorgesehen die Tür eingetreten und waren in den Gastraum der Rennsemmel gestürmt. Es fiel ein Schuss. Offenbar versuchte der Barkeeper, Widerstand zu leisten – nach Lollys Einschätzung ein völlig normaler Vorgang. Doch die Geräusche, die dann aus der Bar drangen, machten ihn misstrauisch: weder das Krachen berstender Möbel noch die Schmerzensschreie verdroschener Gäste, sondern das kurze Zischen zerschnittener Luft, Gewimmer und erstickte Flüche. Dann taumelte ein kleingewachsener Glatzkopf aus der Bar. Seine Augen waren weit aufgerissen, als hätte er ein Gespenst gesehen. Der irre Blick des Halbstarken wäre ja noch irgendwie erklärbar gewesen, doch sein übriger Zustand gab zu denken: Die Bomberjacke sah aus wie ein fransiges Hippiegewand und sein blutendes rechtes Ohr stand im rechten Winkel ab.
Der junge Skinhead griff sich an die klaffende Wunde, starrte entsetzt auf seine blutverschmierte Hand und rannte davon. Dabei fiel ein Molotowcocktail aus seiner Hose und kullerte über den Asphalt.
Pitbull und Lolly tauschten argwöhnische Blicke.
»Was ist denn da drinnen los?«
In diesem Augenblick stürmten die übrigen Skinheads aus der Bar. Sie sahen genauso zerrupft aus wie der Erste und preschten in Panik davon.
»Ich raff’s nicht, Brüderchen, aber irgendwer hat uns da die Tour vermasselt.«
Pitbulls Befürchtungen bestätigten sich umgehend. Kurz nach den Skinheads kamen einige krummbeinige, mit säbelartigen Klingen bewaffnete Biker aus der Rennsemmel und nahmen die Verfolgung der Halbstarken auf. Sie holten die Skinheads mühelos ein und hetzten sie die Straße hinunter.
»Scheiße, Lolly, diesen Gnomen müssen wir eins überbraten!«, schlug Pitbull vor und tastete nach seiner Pistole.
»Hätte ich auch Lust zu«, pflichtete Lolly bei. »Aber wenn wir die Kneipe nicht abfackeln, hängt uns Zorro bei lebendigem Leibe zum Räuchern auf.«
»Da kannst du Recht haben. Dann kümmern wir uns erst mal um die Bar.«
Die beiden Banditen stiegen aus ihrem Jeep, horchten, ob sich noch keine Polizeisirenen näherten, zogen ihre Pistolen und marschierten auf die Rennsemmel zu.
Mit einem seligen Grinsen verließ Sargnagel die Bar und wiegte
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