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Die Hexe

Die Hexe

Titel: Die Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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tatsächlich Unsinn«, räumte die junge Frau ein und biss den Ritter neckisch in die Schulter. »Ich habe einfach eine interessante Neuigkeit erfahren und wollte dir nur nützlich sein.«
    Du kannst nützlich sein, wie du willst, dachte Antoine bei sich, während er seine Pranke unter den schlanken Schenkel seiner Geliebten schob, die Ehefrau eines Magisters des Ordens wirst du trotzdem nie.
    Doch selbst als sich Ingas biegsamer Körper abermals über ihn schwang und ihre spitzen Fingernägel sich in seine Brust bohrten, als er sich später ermattet auf dem breiten Bett ausstreckte und als er unter der Dusche stand, kreisten Antoines Gedanken nur um eine einzige Frage: Hatte diese rothaarige Teufelsbraut womöglich Recht? Hatte der Kriegsmeister Franz de Geer sämtliche Ehrenregeln mit Füßen getreten und den Kriegskommandeur Bogdan le Sta ins offene Messer laufen lassen?
    Ingas zielsicher gestreute Unterstellungen fielen auf fruchtbaren Boden.
    Nachdem ihr der Magister im Vorraum einen flüchtigen Kuss gegeben und die Wohnung in äußerst nachdenklicher Stimmung verlassen hatte, griff Inga unverzüglich zum Telefon und tippte eine ihr wohlbekannte Nummer ein.
    »Kara? Hier ist Inga.«
    »Hallo. Gibt’s was Neues?«
    »Selbstverständlich.« Inga machte eine dramatische Pause, doch dann sprudelte es voller Stolz aus ihr heraus: »Ich gehe jede Wette ein, dass Antoine beim nächsten Ordensrat für einigen Wirbel sorgen wird – genau so, wie wir uns das ausgerechnet haben.«
    »Und der Ordensrat tritt morgen zusammen, nicht wahr?«
    »Genau.«
    »Ausgezeichnet.« Kara grinste zufrieden. »Gute Arbeit, meine Liebe.«
    »Ich gebe eben immer mein Bestes, Kara.«
    »Das sehe ich. Bis bald.«
    »Bis bald.«
    Inga legte den Hörer auf, trottete langsam ins Schlafzimmer zurück und betrachtete sich im Spiegel: Das grazile Mädchen mit den glatten rotblonden Haaren, dem schmalen Gesicht und den traurigen schwarzen Augen stand etwas verloren zwischen den verstreuten Kissen und zerknüllten Laken. Im Zimmer roch es nach teurem Parfum und Schweiß – nach seinem Schweiß.
    Sie zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief – Zigarettenqualm war verpönt in der verborgenen Stadt, deshalb musste sie sich bei ihren Treffen mit dem Magister zurückhalten. Dann streifte sie den extrem kurzen Morgenmantel ab, klopfte die Asche in einer benutzten Kaffeetasse ab und begutachtete ihren Körper. Die Hände des Magisters waren zärtlich wie Schraubzwingen, doch diesmal war sie ohne blaue Flecken davongekommen.
    Inga kickte den Morgenmantel achtlos in die Ecke, setzte sich aufs Bett, verschränkte die Arme vor den Knien, sah abermals in den Spiegel und wiederholte leise: »Ich gebe doch immer mein Bestes, Kara.«
     
    Schon im frühen Kindesalter war Inga aufgefallen, dass sie über magische Fähigkeiten verfügte, und im Unterschied zu vielen anderen Humo-Zauberern begriff sie sofort, welch außergewöhnliche Kräfte in ihr schlummerten. Der Schritt aus dem Dunstkreis harmloser Kindermärchen in die mysteriöse Welt von Zauberformeln und Wundern gelang ihr spielend und sie zeigte keinerlei Berührungsängste gegenüber der Magie, was im Atomzeitalter keineswegs selbstverständlich war. Schon in der Grundschule war das kleine Mädchen in der Lage, einfache Trugbilder zu erzeugen, und mit zwölf Jahren trat sie in die Moskauer Zweigstelle der Sonnensee-Schule ein, wo sie die klassische Ausbildung einer Zauberin des Grünen Hofs absolvierte. Dort lernte sie auch, ihre Fähigkeiten gezielt einzusetzen.
    Inga war keine außergewöhnlich begabte Magierin – ihr Level bewegte sich etwa im Bereich einer Fee des Grünen Hofs. Doch sie investierte viel Fleiß und Energie und schon mit neunzehn Jahren schöpfte sie ihr Potenzial zu hundert Prozent aus. Dabei spielte sie niemals mit dem Gedanken, die Magie professionell zu betreiben. Das hatte sie auch gar nicht nötig. Ihre Eltern, die eine gutgehende Privatklinik in Moskau betrieben, hatten eine völlig andere Zukunft für ihre Tochter vorgesehen und im Übrigen keine Ahnung von deren absonderlichem Talent. Inga bediente sich der Zauberei ausschließlich zum Vergnügen. Die Magie war für sie eine Art Spielzeug – sozusagen die Fortsetzung der Märchenwelt aus sorglosen Kindertagen auf gehobenem Niveau.
    Die Bekanntschaft mit Kara markierte indes einen Wendepunkt auf Ingas Lebensweg. Die erfahrene Zauberin fand Gefallen an der temperamentvollen, resoluten und klugen jungen Frau. Sie

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