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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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langen Rock hochzog und mürrisch zu ihrem Platz hochstieg.
    Josce empfing sie mit einem breiten Grinsen. »Nun, wenigstens hat sich Lucians Einsatz gelohnt«, meinte sie. »Er wäre ein Ritter von trauriger Gestalt, wenn es anders wäre«, warf Mavelle ein. Dann verzog sie das Gesicht und legte eine Hand auf ihren Bauch. »Ach, Kind, hab Mitleid mit deiner armen Mutter. Die ganze Nacht tritt er mich schon.«
    Wenn die Sieben wenigstens aufhören würden, ständig über mich zu reden, als wäre ich die Hauptfigur in irgendeiner Abenteuergeschichte, wünschte Ravenna sich. Es fiel ihr schwer, an diesem Morgen ruhig zu bleiben und an ihre Aufgabe zu denken, sie war aufgeregt wie ein kleines Mädchen. Heimlich probte sie die Handgriffe, mit denen sie später das Schwert des Siegers weihen sollte. All diese Menschen würden ihr dabei zusehen und sie wollte keinen Fehler begehen.
    Ein Fanfarenstoß kündigte den Beginn des Turniers an. Zwei Reiter nahmen zu beiden Enden der Bande Aufstellung. Auf ein Zeichen des Königs senkten sie die Lanzen und die Pferde galoppierten los. Auch wenn die Enden der Waffen abgerundet waren – Ravenna konnte kaum hinsehen, wie sie aufeinander losgingen. Losgetretene Erdbrocken und Grashalme flogen umher und bei dem lauten Knall, mit dem die Lanzen auf die Schilde trafen, fuhr sie zusammen. Zwei Knappen halfen dem Besiegten auf die Beine und führten ihn an den Rand des Turnierfelds. Der Sieger ließ sich eine neue Lanze geben und ritt zurück zur Gruppe der Wartenden.
    Als nächste waren Ramon und der Baron de Munchstein an der Reihe. Nevere flüsterte Ravenna zu, dass der Baron die Stadtväter so lange bekniet hatte, bis sie bei Constantin ein zweites Gesuch einreichten und ihn als weiteren Streiter in die Teilnehmerlisten eintragen ließen.
    »Das macht er jedes Mal«, lachte die Magierin mit dem goldenen Stern auf der Stirn. »Niemand rechnet mit seinem Sieg, aber es ist immer wieder ein Vergnügen, ihm beim Verlieren zuzusehen. Nun gib acht – es geht los!«
    Der Baron war ein älterer Mann. Sein Bauch war rund wie ein Fass und er konnte das Pferd kaum mit den Beinen umschließen. Auf seinem Schild war eine dunkelrote Weinrebe abgebildet. Das könnte gut und gerne einer meiner Vorfahren sein, dachte Ravenna gut gelaunt.
    In gespielter Verzweiflung rang Ramon die Hände. »Ich bitte Euch, mein Herr und König, erlaubt mir, diesen armen Mann zu schonen«, flehte er Constantin an. »Falls ich mit meiner Lanze ein Loch in ihn steche, fließt der schöne Traubensaft, mit dem er gefüllt ist, ungenutzt auf die Erde.«
    Die Menge johlte vor Vergnügen. Die zornige Antwort des Barons ging im Lärm unter. »Haltet Euch an die Vorschriften des Turniers!«, rief Constantin seinem Ritter zu, aber er lachte über das ganze Gesicht. »Sobald Ihr den Kampfplatz betreten habt, darf sich niemand mehr in das Duell einmischen. Nun schließt die Visiere und legt die Lanzen an. Und los!«
    Ramon kitzelte sein Ross mit den Sporen, bis es Kapriolen schlug. Seine Lanze schien den Schild des Gegners nur zu streifen, aber der Baron fiel vom Pferd wie eine reife Pflaume. Dann lag er auf dem Rücken und schimpfte, weil ihn das Gewicht der Rüstung am Aufstehen hinderte.
    Ravenna hätte nicht gedacht, dass es an einem Tag, der so düster und traurig begonnen hatte, so viel zu lachen gab. Mehr und mehr ließ sie sich von der Stimmung der Menge mitreißen. Sie naschte vom Kirschkuchen, feuerte die Reiter an, beklatschte die Sieger und trauerte mit den Verlierern.
    Lucian gewann seine Partie mit Leichtigkeit. Mit wendiger Eleganz hebelte er seinen Gegner aus dem Sattel und schien sich dabei nicht einmal sonderlich anzustrengen. Als er auf Ghost zum Ausgang trabte, erntete er ohrenbetäubenden Applaus. Viele der Mädchen kreischten wie bei einem Popkonzert und schrien seinen Namen. Ravenna fühlte einen Stich der Eifersucht. Lucian hatte nicht einmal zu ihr hochgesehen.
    Sie sank wieder zwischen Nevere und Mavelle auf die harte Bank. Mittlerweile stand die Sonne höher am Himmel und man spürte, dass es ein heißer Tag werden sollte. Im zweiten Durchgang trafen Ramon und der Marquis aufeinander. Diesmal gab es kein Geplänkel und keine spaßigen Vorreden. Beliar hatte das Visier geschlossen. In schwarzer Rüstung und schwarzem Rossharnisch wirkten er und sein Rappe wie aus einem Guss und auf seinem Schild prangte der Skorpion. Ramons Pferd, ein Schimmelhengst namens Charmer, trippelte auf der Stelle, sein langer

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