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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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müsst das Siegel des Sommers finden und rechtzeitig zum Tanzplatz bringen, sonst, fürchte ich, wird der Strom versiegen. Das wäre das Ende der Magie und das Ende unseres Konvents.« Sie nahm Ravennas Hand. »Denk immer daran: Was heute geschieht, hat Einfluss auf morgen. Es ist auch dein Leben, um das du kämpfst.«
    Das Blut rauschte Ravenna in den Ohren. Sie dachte an die Besprechung in Constantins Halle und daran, dass Mémé sich vor dem Augenblick gefürchtet hatte, in dem jemand die magische Gabe ihrer Enkelinnen entdeckte. Oder ihre eigene. Nichts ist jemals wirklich vergangen, dachte Ravenna, weder das Gute noch das Schlechte. Sie blickte Nevere fest in die Augen.
    »Wir werden es versuchen«, versprach sie und war sich im Klaren darüber, dass ihr Vorhaben, den Odilienberg des Jahres 1253 noch in dieser Nacht zu verlassen, damit hinfällig wurde. »Lucian und ich – wir bringen das Siegel des Sommers zurück.«
    Nevere wirkte erleichtert. »Ihr zwei seid füreinander bestimmt. Jeder konnte das vorhin sehen, als du ihm das Pfand gabst«, raunte sie. »Du warst wunderschön, eine echte Maikönigin. Man sieht einer Hexe an, wenn sie Magie wirkt.«
    Aus ihrer Tasche holte sie ein Säckchen aus Leder und drückte es Ravenna in die Hand. »Ein wenig Heilstaub besitze ich noch. Nimm ihn, Ravenna. Eine Zauberin muss stark und unerschrocken sein. Sie darf keine Schatten auf der Seele haben. Das ist es, was du von mir lernst: Was immer dich bedrückt, befreie dich davon! Und wenn du das Heilmittel ansetzt, musst du darauf achten, dass …«
    Ravenna schrak herum, als die Plane vor dem Eingang zurückgeschlagen wurde. Ein Mann mit fuchsrotem, struppigem Haar stürmte ins Zelt. Er trug eine Armbrust und ein Lederwams. Flüchtig beugte er vor Nevere das Knie und sprang sofort wieder auf.
    »Herrin, erlaub mir, gegen diesen Beliar zu kämpfen! Gerade reitet der Kerl frech über den Platz und verspottet die Sieben! Er behauptet, ihr hättet seine Lanze verflucht, so dass sie Ramon von selbst ins Gesicht sprang.«
    Nevere schloss ihre Tasche. »Nein, Marvin«, sagte sie kühl. »Es wurde verfügt, dass heute nur Constantins junge Ritter kämpfen. Vergiss nicht, es geht um Tades Nachfolge.«
    »Dann gestatte mir wenigstens einen Schuss aus dem Hinterhalt«, rief der Rothaarige und schlug mit der flachen Hand gegen seine Armbrust. »Ein gezielter Bolzen, genau in die Stirn, und die Nachwelt plagt sich mit einem Scheusal weniger! Was starrst du mich so verschüchtert an, Mädchen!«, wandte er sich unwirsch an Ravenna. »Ist es dir vielleicht lieber, wenn dein Held im Kampf fällt?«
    Ravennas Herz pochte hart, als ihr klarwurde, dass Marvin seiner Magierin soeben einen heimtückischen Mord antrug. Und dass er sie zur Mitwisserin machte. »Wenn du Beliar umbringst, würde Constantin den Sieg vielleicht nicht gelten lassen«, gab sie zu bedenken. »Dann fängt alles wieder von vorne an.«
    Verächtlich schnaubte Marvin durch die Nase. Er war der Einzige, der Nevere und sie wie gewöhnliche Frauen ansprach. »Nun hör sich das einer an!«, höhnte er. »Hier geht es längst nicht mehr um den Sieg bei einem Turnier! Beliar ist drauf und dran, die Stadtväter davon zu überzeugen, dass ihr schwarze Hexen seid. Dann blüht euch das gleiche Schicksal wie Melisende, der nun niemand mehr helfen kann. Leider kann ich ihn so ohne weiteres nicht aus dem Weg räumen, denn er ist ein Dämon und hat in Drachenblut und Schlimmerem gebadet. Es sei denn …« Listig hielt er Nevere einen Bolzen hin. »Nur ein kleiner Fluch, Nevere. Eine beiläufige Verwünschung und dann … tock! Mit schönen Grüßen zurück in die Hölle!« Mit dem Mund ahmte er das Geräusch nach, das der Spannhebel der Armbrust beim Auslösen machte.
    »Es reicht jetzt, Marvin«, drohte Nevere. Sie hielt ihren beiden Begleitern die Zeltplane auf und wartete, bis sie ins Freie traten. »Das Turnier wird nach Constantins Regeln ausgetragen, denn wenn Beliar auf unehrenhafte Weise fällt, werden die Stadtväter uns alle der Hexerei beschuldigen. Dann ist es mit dem Konvent auf dem Odilienberg gleich vorbei.«
    Spöttisch verneigte sich Marvin vor der Heilerin. »Dem König sind die Zügel längst entglitten. Um seine Regeln schert sich nun wirklich niemand mehr, aber das werdet ihr gleich selbst sehen, wenn ihr auf den Platz zurückkehrt. Wozu braucht ihr mich dann noch?« Die Fasanenfeder auf seiner Kappe wippte, als Marvin wutentbrannt losstapfte.
    Mit einem scharfen

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