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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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lachte überrascht. »Woher wollen Sie wissen, dass ich kein Historiker bin? Aber im Ernst: Ich habe noch nie eine Frau getroffen, die auf Anhieb wusste, worum es bei meiner Forschung geht. Allerdings beschäftige ich mich weniger mit den Säften als mit den Grundstoffen, für die diese stellvertretend stehen.«
    »Ich lese eben viel«, erklärte Yvonne. »Ein bisschen von jedem Fachgebiet, wie die großen, alten Gelehrten. Sie wissen schon: Astronomie, Botanik, Medizin …«
    »Sternkunde und Pflanzenwissen?« Damian schien angenehm überrascht. »Ich habe mich nicht getäuscht, Sie sind eine außergewöhnliche Frau.« Mit dem Glas in der Hand folgte er ihr, als sie zur Bar schlenderte.
    »Was meinen Sie mit der Theorie von den Grundstoffen?«, fragte Yvonne. »Ich kenne zwar die Viersäftelehre: gelbe und schwarze Galle, Blut und Schleim. Es heißt, ein hoher Anteil Blut mache einen Menschen fröhlich, von zu viel Schleim dagegen wird man träge.« Angeekelt schüttelte sie sich, während sie sich Lachsbrötchen und Sellerie auf den Teller häufte. »Aber was hat das mit den Grundstoffen zu tun?«
    Damian lächelte. Mit der Hand streifte er sich das halblange Haar zurück. »Feuer und Erde, Wasser und Luft. Sagt Ihnen das etwas? Die Grundbestandteile der Welt. Die Elemente. Mich interessiert, wie man sie neu zusammensetzen könnte. Und was geschieht, wenn man sie alle in einem Punkt vereint.«
    Yvonne hielt inne. Ein lauernder Ausdruck erschien auf Damians Gesicht und ihr war bewusst, dass er sie beobachtete. Er schien auf ihre Reaktion zu warten. Mit einem Lächeln löste Yvonne die Spannung auf. »Dann entsteht Magie«, erklärte sie achselzuckend.
    Damian lachte. »Sie sind also auch eine Alchemistin! Das überrascht mich nicht, denn sonst hätte der Doktor Sie wohl kaum eingeladen.« Er war am Ende der Tafel stehen geblieben. »Aber Sie haben Glück«, sagte er. »Heute Abend befassen wir uns nicht mit diesen langweiligen, theoretischen Grundlagen, sondern mit Parapsychologie.«
    Yvonne fuhr herum. »Para …was? Das ist nicht Ihr Ernst.«
    Der Dozent lächelte erfreut, weil ihm die Überraschung geglückt war. Das Deckenlicht schimmerte auf der Lockenpracht, um die ihn jede Frau beneidet hätte. Sein Aussehen wurde nur von einem Tick getrübt, der ihn zwang, von Zeit zu Zeit für Sekundenbruchteile die Augen nach oben zu rollen. Anschließend wischte er sich mit dem Daumen über das untere Augenlid und blinzelte.
    »Parapsychologie«, nickte er. »Corbeau wird weltweit als Koryphäe anerkannt. Er ist ein wahres Genie auf seinem Gebiet. Und unser Meister.«
    Seltsam, dachte Yvonne. Ravenna hätte mir bestimmt erzählt, wenn sie aus Versehen zu einem Parapsychologen gegangen wäre. Und wie ich sie kenne, hätte sie nach der ersten Sitzung die Nase voll von allem Übersinnlichen. Nachdenklich biss sie in ein Lachsbrötchen. Und wieso unser Meister?, fragte sie sich. Ich dachte, Corbeau wäre ein Doktor oder Professor oder etwas in der Art.
    »Es stimmt, sie ist nahezu perfekt.« Sie drehte sich um, als sie die halblauten Worte hörte. Ihr neuer Bekannter und Corbeau unterhielten sich. »So spontan und natürlich, und dann besitzt sie auch noch echtes Talent.«
    »Geht es etwa um mich?«, fragte Yvonne. Herausfordernd ging sie auf die beiden Männer zu. Damian schob die Lippen vor, sein Tick quälte ihn stärker als zuvor. Für Sekundenbruchteile sah man nur noch das Weiße in seinen Augen. Es passiert, wenn er erregt ist, dachte Yvonne angewidert.
    Corbeau rettete die Situation, indem er lachte und sein Glas zur Seite stellte. Gutmütig fasste er Yvonne an der Hand. »Natürlich geht es um Sie! Sie sind sozusagen der Stargast des Abends. Kommen Sie bitte mit, dann zeige ich Ihnen, was wir vorbereitet haben.«
    Er führte sie ins Freie. Auf dem hinteren Bootsdeck roch es nach Schiffsdiesel, Algen und Teer. Trotz des bewölkten Himmels war der Abend mild, und Yvonne hörte, wie sich die Möwen zankten. In der Stadt gingen die ersten Lichter an.
    »Ich habe Ihre Unterhaltung mit Damian gehört«, sagte Corbeau leise. »Nehmen Sie es ihm nicht übel, aber mein Kollege neigt manchmal zu schamlosen Übertreibungen. Wir führen heute Abend keineswegs ein parapsychologisches Experiment durch. Es geht vielmehr um das Erlangen einer erweiterten Bewusstseinsstufe.«
    Die anderen Gäste waren ihnen an Deck gefolgt. Alle wirkten äußerst konzentriert. Erst jetzt, da die Gruppe im Kreis stand, merkte Yvonne, dass viele der

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