Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
hatte sie sich wieder im Griff.
    »Sie werden sicher verstehen, dass ich Ihnen einige Fragen stellen muss«, erklärte der Kommissar. Ravenna beobachtete, wie er wieder den Stift und ein Notizbuch zückte. »Erinnern Sie sich noch, was in jener Nacht geschehen ist?«
    Sie nickte wieder.
    »Was haben Sie in Corbeaus Villa gemacht?«
    »Ich hatte eine Verabredung. Corbeau wollte mich sehen.«
    Gress musterte sie mit seltsamem Blick.
    »Corbeau ist mein Therapeut. Ich bat ihn um eine Sitzung«, beharrte Ravenna. Wenn der Teufel lügt, dann benutze ich dieselben Vorwände wie er, dachte sie. Auch er hat bestimmt eine Aussage zu Protokoll gegeben. Und sein Anruf ist noch auf meinem Anrufbeantworter gespeichert. Irgendeinen Ausweg muss es doch geben.
    Gress schrieb etwas in den Notizblock. Dann holte er einen kleinen, beschmutzten Papierfetzen aus der Tasche und hielt ihn hoch, so dass sie ihn sehen konnte. »Erkennen Sie das wieder?«
    Einen Augenblick starrte Ravenna auf das Pentagramm, das den Plakatfetzen zierte. Mit dem Stift kratzte Gress an der braunen Substanz.
    »Was ist das? Ist das Blut? Ihr Blut?« Er blickte sie eindringlich an. »War das eine Warnung an Ihren Therapeuten? Wollten Sie Corbeau mitteilen, dass Sie ihn überfallen werden?«
    »Nein. So war es nicht. Hören Sie, das Ganze ist …« Ravenna hob den Kopf und eine Schulter, aber weiter kam sie nicht, die Gurte hielten sie fest.
    »Beruhigen Sie sich.« Gress drückte sie auf die Liege zurück. »Ganz ruhig. Versuchen Sie nur, meine Fragen zu beantworten. Kennen Sie eine Frau namens Oriana?«
    »Nein.«
    »Wo waren Sie in der Nacht zum neunten Mai?«
    »Das weiß ich nicht mehr.«
    »Sicher nicht? Keine Erinnerung mehr?«
    Ravenna schüttelte den Kopf. Die Fragen lösten Panik in ihr aus, denn Gress’ Nachforschungen liefen in eine gänzlich unerwartete Richtung. Der Kommissar beendete seine Notizen, steckte den Block weg und kramte in seinem Aktenkoffer. Er zog eine durchsichtige Plastiktüte heraus und zeigte sie Ravenna. Die Tüte enthielt Yvonnes Hexendolch.
    »Was wollten Sie mit dem Messer?«
    Ravenna biss sich auf die Lippe. Gress sah es und runzelte die Stirn, weit weniger freundlich als noch vor wenigen Minuten.
    »Kommen Sie, Ravenna. Sie trugen diesen Dolch bei Ihrer Festnahme bei sich. Corbeau hatte Schnittwunden am Hals und an den Händen. Wollten Sie Ihren Therapeuten erstechen? Wollten Sie ihm die Kehle aufschlitzen wie der unglücklichen jungen Frau im Fluss?«
    Die Frau im Fluss? Ravenna blinzelte. Was denn für ein Fluss?, dachte sie. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Gress sprach von der Leiche im Rhein, von der man erst dachte, sie sei ertrunken. Oriana.
    Der Kommissar betrachtete sie mit einer Mischung aus Mitleid, Beklemmung und Abscheu. »Die Ärmste hat offenbar an einer schwarzen Messe teilgenommen. Ein satanischer Hexensabbat. Und sie war das Opfer. Jemand hat ihr die Kehle aufgeschlitzt und die Leiche anschließend ins Wasser geworfen. Wenn wir beweisen können, dass der Mord mit diesem Messer geschah, kommen Sie nie wieder hier raus, ist Ihnen das klar?«
    Als Ravenna schwieg, schüttelte Gress den Kopf, eine müde, fassungslose Geste. »Wissen Sie, was mich auf Ihre Spur gebracht hat? Es war dieser Geruch, der Gestank in Ihrer Küche. Als ich die Tote in Augenschein nahm, fiel mir derselbe Geruch auf. Daraufhin habe ich sofort den Befehl für eine Hausdurchsuchung erwirkt. An jenem Abend, als Sie in die Villa einbrachen, fanden wir das Kleid. Offenbar haben Sie versucht, das Zeug auszuwaschen, doch es hafteten noch immer genügend Spuren am Saum. Es ist Birkenteer. Jetzt fragt sich, wie dieser Teer auf die Tote und auf Ihr Kleid kommt.«
    »Das ist nicht mein Kleid«, sagte Ravenna. Gress seufzte und rieb sich die Augen. »Wer hat behauptet, dass es mir gehört?«
    »Doktor Corbeau. Er erinnerte sich, dass Sie es manchmal trugen, wenn Sie zur Sitzung kamen.«
    Als Ravenna die Augen schloss, erkannte sie, wie raffiniert das Gitter aus Schlingen, Fallstricken und Stolperdrähten, die Beliar für sie ausgelegt hatte, tatsächlich war. Es war weitaus engmaschiger, als sie erwartet hatte, und wie eine Fliege, die von einem süßen Duft angezogen wurde, war sie mitten ins Netz geflogen. Und jetzt hing sie an der Leimrute des Teufels fest.
    »Ravenna.« Väterlich legte Gress ihr die Hand auf den Arm, dicht über dem Ledergurt. Das war schlimmer, weitaus schlimmer, als wenn er sie angebrüllt oder weiter beschuldigt

Weitere Kostenlose Bücher