Die Hexen - Roman
sollt Ihr bekämpfen, Seite an Seite mit meinem Mann. Deshalb haben wir Euch gerufen – wir beide. Wir bieten Euch einen Pakt.«
Der schwarze Ritter lachte, so dass sein Helmbusch grell aufloderte. Die Stimme hinter dem Visier klang dumpf. »Hüte dich, Elinor! Ich kann jeden deiner Gedanken lesen. Wann soll ich ihm den Kopf abschlagen: jetzt oder gleich?«
»Wag es!« Zornig trat sie dem Fremden in den Weg, die Hände zu Fäusten geballt, die Finger von der Kälte gerötet. Die Drehleier war an einem bestickten Band befestigt, das über ihre Schulter hing. »Ich könnte dich jederzeit dorthin zurückschicken, woher du gekommen bist, und dich von neuem mit einem Bannfluch belegen.«
»Allein? Wohl kaum.« Der schwarze Ritter blieb unbeeindruckt. »Du hast Cedric nicht aus Liebe geheiratet, sondern um an Macht zu gelangen. Marquise de Hœnkungsberg – das klingt doch um einiges besser als Elinor vom Hexenwald.«
Das Gesicht des Marquis nahm einen gequälten Ausdruck an. »Das ist nicht wahr«, stammelte Elinor. »Cedric, bei meiner Seele: Er lügt.«
»Schwöre besser nicht auf deine Seele«, warnte der schwarze Ritter leise. »Denn du wurdest von deiner Göttin nicht angenommen. Du hast die Reise durch das magische Jahresrad vollendet, doch den letzten Schritt zum Platz an ihrer Seite hat Morrigan dir verwehrt. Deshalb musstest du den Hexenberg verlassen. Seitdem bist du ein Geschöpf der Schatten.«
»Genau wie du!«, zischte Elinor wütend. Plötzlich erkannte sie die Gefahr, welche die Beschwörung im nächtlichen Burggarten über sie und Cedric gebracht hatte – sie kam von einer Seite, die sie nicht erwartet hatte.
»Dort unten lagern unsere Feinde!«, rief sie dem fremden Ritter zu. »Hörst du das Hämmern und das freche Singen? Es sind die gleichen Männer, die dir das Leben schwermachen: Constantin und seine Ritter mit ihren geweihten Schwertern! Sie dienen den Hexen, den Zauberinnen, die dich seit Tausenden von Jahren immer wieder in die Schatten treiben. Ich biete dir die Gelegenheit, deine Erzfeinde zu vernichten, und zum Dank verspottest du mich?«
Der fremde Ritter hob den Arm. Mit dem Daumen strich er über die Dächer oder zumindest sah es von Elinors Standpunkt so aus, als würde er die Ziegel und Kamine tatsächlich berühren. Die eisige Luft flimmerte. Dann verschwanden Bergfried, Palas und Palisaden, als hätte man sie ausradiert. Die Wehrtürme des Bollwerks sanken in sich zusammen und wurden zu Staub, die Brunnen versiegten und die Innenhöfe füllten sich mit Schutt. Dornranken und Efeu wucherten aus den Fensterhöhlen. Nirgendwo mehr wehte ein Banner.
Der Marquis wurde aschfahl. Er griff sich an die Brust und wankte. Die Erscheinung war so greifbar, als geschehe der Verfall der stolzen Festung in diesem Augenblick. Und doch war es nur eine magische Spielerei, ein Trick, um das Auge des Betrachters zu täuschen.
»Dein Mann ist vielleicht nicht so stark, wie du glaubst, Elinor«, warnte der schwarze Ritter. »Erkennt Ihr jetzt, werter Marquis, wie gut die Nachwelt sich an Euch erinnern wird? Eure Nachfahren würden nicht einmal mehr wissen, ob Ihr Cedric oder Cyrano gerufen wurdet, ganz abgesehen davon, dass es keine Nachfahren gibt. Hat Elinor Euch schon berichtet, dass eine verdorrte Knospe der Grund für das Leiden Eurer ersten Frau war? Nein? Dann habt Ihr wohl auch nie erfahren, dass sie das Zweiglein brach, an dem die Frucht reifte. Anschließend war der Platz an Eurer Seite frei.«
Cedric verschwendete keinen Atemzug – mit einem mächtigen Schwerthieb drang er auf den Fremden ein. Der Ritter parierte und wich zurück. Die Klingen krachten gegeneinander, bis Funken über das Pentagramm sprühten, der Rappe scheute und irrte im Burggarten umher.
Wütend biss Elinor auf einen Zipfel ihres Schleiers. Der Zauber hatte versagt. Der Gerufene stand nicht unter einem Bann, der ihn dem Willen der Magierin gefügig machte, und sie spürte, wie ihr die Gewalt über die Beschwörung entglitt. Hastig fasste sie nach der Kurbel der Drehleier, doch mit einer geschickten Bewegung führte der Fremde die Klinge unter die Saiten und straffte sie, bis sie die Spannung nicht mehr hielten und mit einem hässlichen Missklang barsten.
»Wache! Wache!« Cedric brüllte Befehle zum Bollwerk hinüber. Es hatte sich nur wenige Schritte entfernt erhoben. Doch jetzt war dort nichts weiter zu sehen als Ruinen und verrottetes Mauerwerk, niemand antwortete auf den Hilferuf. Die Bewohner der Burg waren
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