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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Mitleid und Entsetzen entdeckte Yvonne, dass sein rechtes Auge zugeschwollen war. »Was hat euch denn dieses arme Kind getan?«, herrschte sie die Männer an. »Habt ihr ihn so zugerichtet? Was seid ihr nur für abscheuliche Kerle! Wegsperren sollte man euch! Komm her, mein Kleiner, und lass mich … aaaja!«
    Als sie den Jungen tröstend in den Arm nehmen wollte, fauchte er sie an und schlug ihr die Zähne in die Hand. Vor Schmerz schrie Yvonne auf. Remi wich bis in den hintersten Winkel zurück und starrte sie aus weit aufgerissenen Augen an. Vor ihr schien er noch mehr Angst zu haben als vor seinen Peinigern.
    Betroffen blickte Yvonne auf die Stelle, wo er sie gebissen hatte. Der Abdruck seiner Zähne und der Schmerz in ihrem Handballen waren echt – viel echter, als es in einer Trance möglich war.
    »Was geschieht mit mir?«, fragte sie laut, aber Corvin Corbeau schien sie nicht zu hören. Von ihm kam keine Antwort.
    »Ihr steht vor Gericht.« Mit dem grauen Bart, den grauen Augenbrauen und dem traurigen Blick wirkte der Mann, der jetzt redete, als bereue er, überhaupt an diesem Richtertisch zu sitzen. »Ich bin der Hexenbanner, den die Stadt bestellt hat, um Eurem Treiben ein Ende zu setzen. Ihr seid angeklagt, den Menschen in Straßburg Schaden zugefügt zu haben.«
    »Aber das ist doch lächerlich«, fuhr Yvonne auf.
    Der Bucklige zeigte mit dem Finger auf sie. »Da hört Ihr es! Das Weib ist völlig verstockt. Seit Wochen weigert sie sich, sich zu ihrer Schwarzen Gabe zu bekennen. Lasst uns endlich zu anderen Mitteln greifen, damit wir die Wahrheit erfahren.«
    »Immer langsam«, mahnte der Graubart. »Geben wir Herrin Melisende noch eine Gelegenheit, sich zu besinnen! Immerhin war sie eine der Sieben und Trägerin eines magischen Siegels. Kommt näher!«
    Er winkte Yvonne. Erschrocken stellte sie fest, dass sie an den Richtertisch trat. Aber in welcher Verfassung war sie! Nackt bis auf ein Hemd aus grobem Leinen, das ihr gerade bis zu den Knien reichte, schämte sie sich plötzlich, den Blicken der Ankläger ausgesetzt zu sein. An ihren Füßen klebte schmutziges Stroh.
    »Das muss ein Irrtum sein. Ich … ich glaube, ich habe mich verirrt. Ich bin auf der Suche nach meiner Schwester.« Hektisch wandte sie sich zum Gehen, aber die eiserne Tür war verschwunden.
    Yvonne erschrak. Verdammt, was war hier los? »Ich glaube, das ist nicht die richtige Trance«, sagte sie und hoffte, dass Doktor Corbeau ihre Worte diesmal nicht als Teil ihrer Vision deutete. »Vielleicht sollten wir mit der Hypnose noch einmal von vorne beginnen.«
    Hastig vollführte einer der Richter eine Schutzgeste. »Die Haft im Hexenturm hat ihren Geist verwirrt«, murmelte er. »Vor lauter Angst und Hunger weiß sie nicht mehr, was sie redet.«
    »O nein, es ist das Hexenwissen, das ihren Verstand verdirbt«, giftete der Bucklige. »So versteckt sie vor uns, was sie eigentlich gestehen sollte.« Anklagend wandte er sich an Yvonne. »Gebt zu, dass Ihr mit offenen Haaren zwischen den Sommersteinen getanzt habt. Anschließend lagt Ihr bei einem Mann!«
    »Das war … das geschah doch nur einmal.« Stotternd gab Yvonne den Vorfall zu und ärgerte sich anschließend über sich selbst. Es war eine laue Nacht gewesen und sie hatte mit einigen Freunden in den Rheinauen gefeiert. Was war denn schon dabei?
    Der Bucklige schrie jedoch auf, als hätte man ihm einen glühenden Nagel ins Auge gestoßen. Wieder zeigte er mit dem Finger auf sie. »Da hört Ihr es! Ihr hört es! Sie ist eine Hexe. Dann ist es also auch wahr, dass Ihr zu Neumond Blumen, Blut und ein Leben geopfert habt, um im Spiegel die Wahrheit zu sehen? «
    Bitte, dachte Yvonne, nicht schon wieder diese Geschichte! Nicht schon wieder diese Schuldgefühle! Niemand bereut mehr als ich, dass meine arme Katze tot ist. Sie schloss die Augen und presste die Hand auf die Stirn. Warum gelingt es mir denn nicht, aufzuwachen? Das hier ist schlimmer als ein böser Traum.
    Jemand packte sie am Handgelenk und bog ihr den Arm auf den Rücken. Der Junge wimmerte wieder. »Sie versucht, das dritte Auge vor uns zu verbergen – ihre Sehergabe! Aber du irrst dich, Weib, wenn du glaubst, dass du uns durch Arglist täuschen kannst. Wir bringen deine Schandtaten ans Licht.«
    »Aufhören!«, stöhnte Yvonne. »Bitte aufhören!« Auch der zweite Arm wurde ihr nach hinten gedreht und sie spürte, wie ein Strick um ihre Handgelenke geschlungen wurde. »Ich heiße Yvonne und nicht Melisende. Ich bin auf der

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