Die Hexen von Eastwick
fühlte, es war ein weibliches Thema; aber eine
andere Stimme innerhalb der Musik trat nun stärker hervor, die
männliche Stimme des Todes, die in langsamen, entschiedenen Silben
argumentierte. Nach al dem Geflatter verlangsamte die Courante zu
sechs gepunkteten Noten, um den Abstieg in Terzen zu betonen,
dann eine Quarte, dann eine steile Quinte zum gleichen Endton, der
unentrinnbaren Tonika. Die Sarabande, largo, war großartig,
unbestreitbar, ihr langsames Schreiten wurde durch viele Tril er
unterstrichen, wobei ein Schatten jenes zarten Themas hinter einer
riesigen unvol ständigen dominierenden None wieder auftauchte, die
schmetternd über die Musik hergefal en war. Jane strich sie immer
wieder – tiefes Cis – B – g – die zerstörerische Kraft genießend und
bewundernd, wie die verminderte Septime ihrer beiden tieferen
Noten höhnisch den Sprung einer verminderten Septime (Cis-b) in
der Zeile darüber nachahmte. Nach diesem Genuß ging Jane zum
ersten Menuett über, sie hörte deutlich – es war keine Frage des
Hörens, sondern der Einverleibung – den Krieg zwischen den
Akkorden und der Melodie, die ihnen immer wieder vergeblich zu
entkommen suchte, es aber nie schaffte. Ihr Bogen höhlte Formen aus
einer Materie, einer Leere, einer Stil e. Die Außenseite der Dinge war
Sonnenschein und Zerstreuung: die Innenseite von al em war der
Tod. Maria, die Prinzessin, Jenny: eine Prozession. Das unsichtbare
Innere des Cellos vibrierte, die Spitze ihres Bogens schnitt Kreise und
Arkaden aus einem Keil Luft, Klänge fielen von ihrem Bogen wie
Sägespäne. Jenny versuchte, dem Sarg zu entfliehen, an dem Jane
schnitzte; das zweite Menuett ging in D-Dur über, und das
Weibliche, das in der Musik gefangen war, raste in den gleitenden
Schritten gebundener Noten, aber dann wurde es zurückgetrieben, Menuetto I da capo, und von ihren dunkleren Farben und dem
herrischen Quartett aus Akkorden übergeschluckt, deren
Strichführung besonders markiert war: f-a Aufstrich, b-f-d Abstrich, G- g-e Aufstrich; A-e-cis. Der Bogen scharf, hoch, runter, hoch und dann
herunter zu dem Dreierrhythmus des coup de grâce, und endgültig war
jener flattrige Geist vernichtet.
Ehe Jane sich an der Gigue versuchte, nippte sie an dem Kakao; ein
kalter Halbkreis Haut blieb an ihrer leicht behaarten Oberlippe
hängen. Randolph, der seinen Hundekuchen aufgefressen hatte, war
hereingetrottet und hatte sich auf dem zerkratzten Boden neben ihren
taktschlagenden nackten Zehen ausgestreckt. Aber er schlief nicht:
seine karneolfarbenen Augen starrten sie wie überrascht an; ein
hungriger Ausdruck kräuselte leicht sein Maul und ließ ihn die Ohren
aufstel en, die innen so rosig wie Wel hornschnecken waren. Diese
Haustiere, dachte Jane, bleiben dumpf- Späne von Rohmaterial. Er
weiß, er ist Zeuge von etwas Bedeutendem, aber er weiß nicht, was es
ist; er ist taub gegen die Musik und blind für die Schriftzeichen und
die Höhenflüge des Geistes. Sie hob den Bogen. Er fühlte sich
wunderbar leicht an, ein Zauberstab. Die Gigue war allegro gekennzeichnet. Sie begann mit einigen zustechenden Phrasen – di- tda (a-d), dit-da (b-cis), dit dodododo dit da, dit … Sie spann weiter.
Gewöhnlich hatte sie Schwierigkeiten mit diesen erhöhten und
erniedrigten sprunghaften Läufen, aber heute nacht flog sie dahin,
tiefer, höher, tiefer, spiccato, legato. Die beiden Stimmen stießen
gegeneinander, das letzte Aufleben jenes flattrigen, jenes
zurückweichenden, wiederkehrenden Themas, das noch bezwungen
werden mußte. Darüber also hatten Männer, all die Jahrhunderte
orakelt, sie hatten sich den Tod angeeignet; kein Wunder, daß sie dies
für sich behalten, kein Wunder, daß sie es von Frauen ferngehalten
hatten – daß sie den Frauen das Gebären und Aufbringen überließen,
was all das Übel im Gang hielt, während sie, sie, die Männer, unter
sich den wahren Schatz aufteilten, Onyx und Ebenholz und pures
Gold, die Substanz von Ruhm und Befreiung. Bis jetzt war Jennys
Tod nur ein schlichtes Auslöschen in Janes Kopf gewesen; ein Nichts;
jetzt bekam er eine fühlbare Struktur, eine verzweigte und üppige
Komplexität, etwas sinnlich Herabziehendes, das koketter war als
jenes Zupfen an unseren Fesseln, das zurücklaufende Wel en am
Strand uns zwischen durcheinanderrol enden Kieselsteinen vermitteln,
jenes wunderbar träge, gewichtige Seufzen, das die See mit jeder
Woge von sich gibt. Es war, als wäre
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