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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Enttäuschung haben Unheil ausgebrütet, aus Aberglauben
erwachsend, den unsere Vorfahren abscheulich nannten und der in
der Tat –» Brendas Stimme senkte sich wunderschön zu einer Art
ruhigem sanften Erstaunen, eine Lehrerin, die ein Elternpaar
besänftigt, ohne dabei ein fürchterliches Zeugnis in Abrede zu stellen,
ein weiblicher Rentabilitäts-Experte, der einem tobenden Angestellten
apologetisch mit Kündigung droht – «abscheulich ist.» Doch hinter diesem Verschluß muß ein Auge existieren, das Auge eines
größeren Seins, und in einer Vorahnung, nicht unähnlich der ihres
Vaters einige Monate zuvor, war es Jenny gelungen, Ruhe in dem
Glauben an die Obhut dieses Wesens zu finden, sogar noch, als ihre
neuen Freunde und diese humanoiden Maschinen im Westwick-
Hospital um ihr Leben kämpften. Da Jenny selbst jahrelang in einem
Krankenhaus gearbeitet hatte, wußte sie, wie mager am Ende die
Resultate, statistisch gesehen, waren, die man durch al diese
bewunderungswürdige und kostspielig verwaltete Gnade erhielt. Was
sie am meisten störte, war die Übelkeit, die durch die Medikamente
    kam und jetzt auch mit der Bestrahlung, der sie halbwöchentlich
ausgesetzt wurde, wenn sie festgezurrt und umwickelt auf dem
gigantischen Drehtisch aus Chrom und kaltem Stahl lag, der sie hin-
und herbewegte, bis sie seekrank wurde. Die dahintickenden
Sekunden des radioaktiven Summens gingen ihr nicht mehr aus den
Ohren und dauerten selbst im Schlaf an.
«Es gibt etwas Böses», sagte Brenda, «das wir bekämpfen müssen. Es
darf nicht geduldet, es muß nicht erklärt werden, es ist
unentschuldbar. Soziologie, Psychologie, Anthropologie: in dieser
einen Hinsicht müssen die Tröstungen al dieser Schöpfungen des
modernen Geistes versagen.»
Ich werde es nie mehr von den Eiszapfen an den Dachrinnen tropfen
oder einen Zuckerahorn Feuer fangen sehen, dachte Jenny. Auch nicht
diesen Moment gegen Ende des Winters, wenn der Schnee ganz schmutzig
ist und vom Tauwetter zu morschen, ausgehöhlten Gebilden verzehrt
wird. Diese Erkenntnisse waren wie die Finger eines Kindes, die an
einem bitterkalten Tag ein Guckloch in die beschlagene
Fensterscheibe über einem Heizkörper rubbeln; durch die
durchsichtige Stelle blickte Jenny in ein bodenloses «Nimmermehr».
Brenda, deren Haar schimmernd auf ihre Schultern herabgefal en
war – war es schon zu Beginn des Gottesdienstes so gewesen, oder
hatte es sich in ihrem Eifer gelöst? – mobilisierte unsichtbare Kräfte.
«Denn diese Frauen – und laßt uns aus Liebe zu unserem Geschlecht
und aus Stolz auf unser Geschlecht nicht leugnen, daß sie Frauen sind – haben lange einen unheilvol en Einfluß auf diese Gemeinde
ausgeübt. Sie sind promiskuitiv gewesen. Sie haben ihre Kinder
bestenfal s vernachlässigt und schlimmstenfal s mißbraucht, indem sie
sie gotteslästerlich erzogen. Mit ihren üblen Taten und ihren
unsäglichen Zaubereien haben sie einige Männer zu abartigen
Handlungen getrieben. Sie haben ein paar Männer – daran glaube ich
fest –, haben ein paar Männer in den Tod getrieben. Und nun ist ihr
    Dämon herabgestiegen – nun ist ihr Schlangengift über uns
gekommen – ihre Lift hat –» Wie aus dem Kelch einer Stockrose
schlüpfte schläfrig eine Hummel zwischen Brendas dicken, bemalten
Lippen hervor und kurvte auf ihrem Orientierungsflug über die Köpfe
der Gemeinde hinweg.
Jenny kicherte innerlich. Greta drückte wieder ihre Hand. Auf der
anderen Seite schnarchte Ray Neff. Beide Neffs trugen Bril en: Greta
eine stahlgerahmte Omabril e, Ray eine randlose mit eckigen Gläsern.
Jeder Neff schien ein einziges großes Bril englas zu sein, und ich sitze dazwischen, dachte Jenny, wie die Nase. Entsetztes Schweigen
konzentrierte sich auf Brenda, die kerzengrade auf der Kanzel stand.
Über ihrem Kopf hing nicht mehr das fleckige Messingkreuz, das
jahrelang in belangloser Symbolik dort gehangen hatte, sondern ein
massiver, neuer Messingring, das Symbol für vol kommene Eintracht
und Frieden. Der Ring war Brendas Idee gewesen. Sie holte flach
Atem und versuchte, durch etwas hindurch zu sprechen, das sich
offenbar in ihrem Mund ansammelte.
«Ihre Wut hat fogar die Luft verpeftet, die wir atmen», verkündete
sie, und ein blaßblauer Falter und gleich danach dessen kleine
bräunliche Schwester entwichen ihrem Mund; die letztere fiel auf das
Pult, das mit einem Mikrofon ausgestattet war, so daß der Aufprall
dumpf verstärkt

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