Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:

neugriechisches Gebäude mit einem flachen, von dorischen Säulen
getragenen Vorbau und einem gedrungenen achteckigen Turm am
Cocumscussoc Way, einer Seitenstraße der Elm hinter der Oak; sie
war 1823 von den Kongregationalisten errichtet worden, aber eine
Generation später, in den vierziger Jahren, der unitarischen Bewegung
erlegen. Jetzt, in dieser nebligen späten Ära verfal ender Dogmen, war
sie innen doch mit al erhand Kreuzen geschmückt, und im
Gesel schaftsraum hing an der einen Wand ein großes, in den
Sonntagsschulen ausgehecktes Filzbanner, das das T-förmige
ägyptische Kreuz zeigte, die Hieroglyphe für «Leben», umgeben von
den vier dreieckigen alchimistischen Zeichen für die Elemente. Zur
Kategorie «Musiker und ihre Freunde» gehörte jeder, nur Van Horne
nicht, der sich trotzdem in den Raum drängte. Jeder wußte, wer er
war, das steigerte die al gemeine Aufregung. Wenn er sprach, klang
seine Stimme auf eine Weise, die nicht ganz zusammenpaßte mit den
    Bewegungen seines Mundes und Unterkiefers, und der Eindruck, daß
da irgend etwas künstlich war an seinem Sprechapparat, wurde
verstärkt durch die seltsam verrutschenden, zusammengestückelt
wirkenden Gesichtszüge und die Unmenge Speichel, die er beim
Reden produzierte – von Zeit zu Zeit machte er eine Pause und
wischte sich mit dem Jackenärmel ruppig die Mundwinkel trocken.
Trotzdem, er hatte das Vertrauen der Gebildeten und Wohlhabenden,
als er sich jetzt herabbeugte, um eine enge Beziehung zu Alexandra
herzustellen.
«Ich mach doch nur kleine Puppen», sagte Alexandra und kam sich
plötzlich niedlich und kokett, selber püppchenhaft vor im Angesicht
dieses brütenden, dunklen, massigen Mannes. Es war die Zeit im
Monat, da sie besonders sensibel für Auren war. Die Aura dieses
erregenden Fremden war von schimmerndem Schwarzbraun, wie
nasses Biberfell, und stand steil aufgerichtet hinter seinem Kopf.
«Meine Freundinnen nennen sie meine Duttelchen», sagte sie und
kämpfte gegen ihr Erröten an. Sie hatte das Gefühl, gleich in
Ohnmacht zu fal en, vor al en Menschen. Menschenmengen und
neue Männer: daran war sie nicht gewöhnt.
«Kleine Puppen», wiederholte Van Horne. «Aber so potent!.» Er
wischte sich über die Lippen. «So vol von psychischem Saft, wenn Sie
mich verstehen, man braucht ja bloß eine in die Hand zu nehmen.
Die haben mich umgehauen. Ich habe al e gekauft, die da waren im –
wie heißt der Laden – Lauten Schaf» – «Der Bellende Fuchs», sagte
sie, «oder das Hungrige Schaf, schräg gegenüber vom kleinen
Friseurgeschäft, wenn Sie sich mal die Haare schneiden lassen
wollen.»
«Nie, wenn’s nach mir geht. Macht mich schlaff. Meine Mutter hat
mich Samson genannt. Ja, in einem von den beiden.
Ich habe al e aufgekauft, weil ich sie einem Freund zeigen wil , ein
    wirklich lockerer, witziger Typ, hat eine Galerie in New York, in der
Siebenundfünfzigsten Straße. Es ist nicht meine Sache, Ihnen
irgendwas zu versprechen, Alexandra – was dagegen, wenn ich Sie so
nenne? –, aber wenn Sie sich dazu aufraffen könnten, in größeren
Dimensionen zu arbeiten, dann wette ich, wir kriegen eine
Ausstellung zusammen. Vielleicht werden Sie nie Marisol, aber Sie
könnten so sicher wie nur was eine zweite Niki de Saint-Phalle
werden. Sie wissen, diese ‹Nanas›. Das sind Dimensionen! Die macht wirklich Nägel mit Köpfen.»
Mit einiger Erleichterung stellte Alexandra fest, daß sie diesen Mann
nicht mochte. Er war aufdringlich, grob und ein Schwätzer. Daß er al
ihre Figürchen aus dem Hungrigen Schaf weggekauft hatte, kam ihr
wie eine Vergewaltigung vor; sie würde nun, früher als geplant, einen
neuen Schub brennen müssen. Der Druck, den seine Person ausübte,
hatte die Krämpfe verstärkt, mit denen sie an diesem Morgen
aufgewacht war, Tage vor der Zeit; das war eines der Anzeichen für
Krebs: Unregelmäßigkeiten im Zyklus. Hinzu kam, daß ihr
bedauerlicherweise ein Hauch des im Westen herrschenden Vorurteils
gegen Indianer und Chicanos anhing, und Darryl Van Horne war in
ihren Augen einfach nicht gewaschen. Man konnte sie fast sehen, al
die kleinen schwarzen Flecke auf seiner Haut – wie bei einer
Halbtonreproduktion. Er wischte sich mit behaartem Handrücken
über die Lippen, und sein Mund zuckte vor Ungeduld, während sie in
ihrem Herzen nach einer ehrlichen, aber höflichen Antwort suchte.
Mit Männern umzugehen war Arbeit, eine Anstrengung, der sie sich

Weitere Kostenlose Bücher