Die Hexen von Eastwick
Finger
auf die Saiten drückten. Er nahm ihre Hand zwischen seine beiden
eigenen behaarten: ein zärtliches Sandwich. «Was für eine
Intonation», sagte er, «und dieses Vibrato, dieser weite Griff! Glauben
Sie mir! Sie halten mich für einen abscheulichen Banausen, ich weiß,
aber von Musik verstehe ich was. Sie ist so ungefähr das einzige, das
mich demütig macht.»
Janes dunkle Augen leuchteten, glühten geradezu. «Ich spiele also
nicht zimperlich?» sagte sie. «Unser Dirigent wirft mir dauernd vor,
meine Intonation sei zimperlich.»
«Dieses Arschloch!» rief Van Horne und wischte sich die Spucke aus
den Mundwinkeln. «Sie haben Präzision, aber das hat noch lange
nichts mit Zimperlichkeit zu tun. Präzision: da fängt die Passion an.
Ohne Präzision beaucoup de rien, hm? Nehmen wir nur mal Ihren
Daumen, Ihre Daumenhaltung: Sie halten den Druck wirklich durch,
viele Männer schaffen das nicht, es tut zu weh.» Er zog ihre linke
Hand näher an sein Gesicht heran und streichelte die Seite ihres
Daumens. «Sehen Sie das?» sagte er zu Alexandra und hielt ihr Janes
Hand hin, als sei sie abgetrennt, etwas Totes, das es zu bewundern
galt. «Das nenne ich eine Schwiele!»
Jane zog ihre Hand zurück, sie merkte, daß sie Aufmerksamkeit
erregten. Der unitarische Geistliche, Ed Parsley, beobachtete die
Szene. Van Horne genoß es offenbar, vor Publikum zu agieren:
dramatisch ließ er Janes linke Hand fal en und griff nach der rechten,
die unbeaufsichtigt herabhing, und wedelte mit ihr vor Janes
verblüfftem Gesicht hin und her. «Diese Hand ist es!» Er schrie fast.
«Diese Hand ist das Haar in der Suppe! Ihre Bo genführung! Gott! Ihr spiccato klingt wie marcato, Ihr legato wie détaché. Spielen Sie
gebunden, Herzchen, Sie spielen nicht einfach nur Noten
dideldiumumum, Sie spielen Bögen, Sie spielen menschliche Auf schreie!»
Wie in einem stummen Aufschrei klappte Janes pedantischer,
schmaler Mund auf, und Alexandra sah, wie Tränen eine zweite Linse
auf ihren Augen bildeten, deren Braun immer ein bißchen hel er im
Ton war, als man es in Erinnerung hatte, eine Art Schildpattbraun.
Reverend Parsley trat zu ihnen. Er war ein noch junger Mann,
umweht von einem Hauch der Verdammnis. Sein Gesicht sah aus wie
ein hübsches Gesicht, das verzerrt wird von einem leicht gekrümmten
Spiegel – zu lang von den Koteletten bis zu den Nasenflügeln, als
würde es unaufhörlich nach vorn gezogen –, und der zu üppige,
expressive Mund war eingerastet zum gnadenlosen Lächeln derer, die
wissen, daß sie am falschen Platz sind, auf dem falschen Perron der
Busstation, in einem Land, in dem keine der bekannten Sprachen
gesprochen wird. Er war zwar erst Anfang Dreißig, aber zu alt, um ein
scheibeneinschmeißender, LSD-lutschender Apostel der
Protestbewegung zu sein, und das verschärfte sein Gefühl der
Deplaciertheit und Unzulänglichkeit, obwohl er immerfort
Friedensmärsche und Nachtwachen und Readins organisierte und
seiner staubtrockenen, braven Gemeinde nahezulegen versuchte, aus
der hübschen alten Kirche ein Asyl zu machen, mit Feldbetten und
Kochplatten und chemischen Toiletten, für die Horden von
Wehrdienstverweigerern. Statt dessen fanden ästhetische kulturelle
Ereignisse in diesem Gebäude statt, wo zudem die Akustik so
fabelhaft war; diese alten Baumeister hatten vielleicht doch ihre
Geheimnisse, obgleich Alexandra, die ja in jener strengen, von
tausend Cowboyfilmen ausgeschürften Landschaft aufgewachsen war,
zu der Ansicht neigte, daß die Vergangenheit oft romantisiert wird
und daß sie, wenn sie Gegenwart wäre, dieselbe eigentümliche
Hohlheit hätte, die wir jetzt empfinden.
Ed sah spöttisch zu Darryl Van Horne hinauf – er war nicht groß:
eine weitere Enttäuschung seines Lebens. Zu Jane Smart gewandt,
sagte er mit einem scharfen, brüskierend beiseite gesprochenen Ton:
«Wunderbar, Jane. Verflucht gut, was ihr vier da geleistet habt. Wie
ich eben zu Clyde Gabriel sagte: ich wünschte, es hätte eine bessere
Möglichkeit gegeben, diesen Abend anzukündigen, damit die
Newport-Schickeria es auch wirklich mitkriegt und rüberkommt, aber
ich weiß, seine Zeitung hat getan, was sie konnte, er hat es gleich als
Kritik aufgefaßt, er ist mit den Nerven ziemlich runter in letzter Zeit.»
Sukie schlief mit Ed, Alexandra wußte das, und Jane hatte
wahrscheinlich auch mit ihm geschlafen. Etwas Besonderes schwang
in den Stimmen der Männer, mit denen man
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