Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:
überfahren worden war
und immer noch auf der Straße lag. Als Mädchen, in ihrer
unschuldigen Gebirgsstadt, hatte sie, ebenso wie jetzt, auf dem Bett
gelegen, aber damals war sie erregt gewesen von ihrem Körper wie von
einem Besuch, der aus dem Nirgendwo gekommen war, um ihren
Geist zu umhül en; sie hatte sich im Spiegel erforscht, hatte die kleine
Kerbe in ihrem Kinn und die eigenartige Ril e in ihrer Nasenspitze
gesehen, war dann einen Schritt zurückgetreten, um die schräg
abfal enden breiten Schultern und die kürbishaften Brüste zu
begutachten, und den Bauch, der wie eine flache, eingestülpte Schale
schimmerte über dem züchtigen, dreieckigen Haarbusch und den
kräftigen, ovalen Schenkeln, und hatte beschlossen, mit ihrem Körper
einverstanden zu sein; sie hätte es schlimmer treffen können. Damals
konnte sie auf dem Bett liegen und einfach nur ihren Fußknöchel
    bewundern, sie bewegte ihn im Licht des Fensters und staunte über
die seidig bespannten Knochen und Sehnen und die Adern von
blassestem Blau, mit ihrem wundersamen Sauerstofffluß; oder sie
streichelte ihre Unterarme, die sich flaumig und pral anfühlten und
sich zu den Händen hin verjüngten. Als sie dann eine Weile
verheiratet war, ekelte es sie vor ihrem Körper, und Ozzies Versuche,
Liebe mit ihm zu machen, kamen ihr wie liebloser Hohn vor. Es war
der Körper draußen, jenseits des Fensters, das in Licht getauchte
wasserdurchrieselte, laubreiche Fleisch jenes anderen Seins, des
Naturreichs, in dem noch Schönheit war. Als es zur Scheidung kam,
war ihr, als flöge sie zu jenem Fenster hinaus. Am Morgen nach dem
Gerichtsbeschluß war sie um vier Uhr auf, rupfte abgeerntete
Erbsenpflanzen aus und sang im Mondlicht, sang im Licht dieses
harten weißen Steins mit dem schiefen, traurigen,
zweigeschlechtlichen Gesicht – ein himmlischer Zeuge – und im
Osten dämmerte es, katzengrau. Dieser andere Körper hatte auch eine
Seele.
Jetzt sickerte die Welt durch sie hindurch, verschwendet, ungenutzt.
Eine Frau ist ein Loch, hatte Alexandra einmal in den Memoiren
einer Prostituierten gelesen. In Wahrheit war es weniger das Gefühl,
ein Loch zu sein, als vielmehr ein Schwamm, etwas schweres
Matschig-Poröses, das auf dem Bett lag und sich vol sog mit al der
Vergeblichkeit, al dem Elend ringsum: Kriege, die keiner gewinnt,
Krankheiten, die bezwungen sind, damit wir al e an Krebs sterben
können. Die Kinder würden gleich mit Getöse zu Hause einfal en,
fordernd, vol er Bedürfnisse, zerrend, klammernd, Atzung von ihr
heischend, und sie würden keine Mutter vorfinden, sondern nur ein
verängstigtes dickes Kind, das nicht mehr niedlich-keck war, nicht
mehr der Stolz seines Vaters; dessen Asche war vor zwei Jahren von
einem Schädlingsbekämpfungsflugzeug auf seiner Lieblingsbergwiese
verstreut worden, wo die Familie immer wilde Blumen gepflückt hatte
    – Bergphlox und Sky Pilot mit seinen stinktierhaft riechenden
Blättern, Eisenhut und Himmelsschlüssel und Schneelilien, die an
den feuchten Stellen blühen, wo gerade der Schnee geschmolzen ist.
Der Vater hatte immer ein botanisches Buch bei sich, und die kleine
Sandra brachte ihm die frisch gepflückten Gaben, auf daß er sie bei
ihrem Namen nenne, zarte Blumen mit ausgewaschenen Farben,
schüchternen, blassen Blütenblättern und Stengeln, die sich ganz kalt
anfühlten, weil die Pflanzen, so dachte das Kind Alexandra, die ganze
Nacht draußen in der Gebirgskälte hatten stehen müssen.
Die Chintz-Vorhänge, die sie mit Mavis Jessup, der geschiedenen
Dekorateurin vom Bel enden Fuchs, an den Schlafzimmerfenstern
angebracht hatte, waren mit einem großen klatschenden Muster
bedruckt: rosa und weiße Pfingstrosen. Die Falten, in denen die
Stoffbahnen hingen, machten aus diesem Muster ein Clownsgesicht,
ein scheeles rosaweißes Clownsgesicht mit kleingeschlitztem Mund: je
länger Alexandra hinsah, desto mehr dieser sinistren Clownsgesichter
entdeckte sie, eine ganze Truppe kam da zusammen, im sich
übereinanderfaltenden Pfingstrosenmuster – Teufel, die ihre
Depressionen schürten. Sie dachte an ihre Duttelchen, die darauf
warteten, aus dem Ton hervorgerufen zu werden – sie waren ihre
Abbilder, vol gesogen, amorph. Ein Drink, eine Tablette würden ihr
vielleicht aufhelfen und sie glasieren, aber sie kannte den Preis: zwei
Stunden später würde sie sich noch elender fühlen. Ihre schweifenden
Gedanken wurden, wie von einer geheimnisvol

Weitere Kostenlose Bücher