Die Hexen von Eastwick
Barbra Streisands
Titten sah, wenn sie sich vorbeugte, in so einem
Jahrhundertwendenkleid. Dabei war der Film nicht mal ab achtzehn,
er war jugendfrei! Die ganze Zeit nur singende Menschen in alten
Straßenbahnwagen!» Er versuchte zu lachen, aber sein Mund war aus
der Übung: das zerknautschte Loch in seinem Gesicht war nicht
mitanzusehen – Sukie war drauf und dran, ihren kakaobraunen
Pul over hochzukrempeln, ihren Büstenhalter aufzuhaken und diesen
verschmachtenden Mann an ihren vorspitzenden Brüsten saugen zu
lassen; aber sie hatte schon Ed Parsley am Hals, und ein verkorkster
intellektueller Leidender zur Zeit reichte ihr. Jede Nacht ließ sie Ed
Parsley im Geiste ein bißchen mehr einschrumpfen, damit sie, wenn
der Ruf kam, möglichst unbeschwert die überflutete Marsch
durchqueren und zu Darryl Van Hornes Insel gelangen konnte. Dort
spielte sich das Leben ab, nicht hier im Ort, wo ölschlieriges
Hafenwasser gegen die Pfähle schlappte und flackernde Lichtreflexe in
die ausgelaugten Gesichter der Bewohner Eastwicks tuschte, wenn sie
ihren bürgerlichen und christlichen Pflichten nachgingen.
Gleichwohl waren Sukies Brustwarzen hart geworden unter dem
Pul over, als ihr ihre Heilkräfte zum Bewußtsein kamen, und sie
fühlte, daß sie für jeden Mann ein Garten war, in dem Gegengifte
und Linderungsmittel wuchsen. Ihre Aureolen kribbelten, wie früher,
wenn ein Baby ihre Milch brauchte oder wenn sie mit Jane und Lexa
den Kegel der Macht errichtete, und der Alarm schlug an: durch ihre
Knochen lief ein kalter Schauer, bis in die Finger- und
Zehenknochen, als bestehe sie aus einem Geflecht schlanker Röhren,
die eisige Wasserströme leiten. Clyde Gabriel beugte den Kopf über
einen Text; zwischen den langen, fedrigen Strähnen seines
eichenfalben Haars schimmerte rührend der farblose Schädel hervor –
ein Blickwinkel, aus dem er sich niemals sah.
Sukie verließ die Redaktionsräume des Anzeiger, trat auf die Dock
Street hinaus und ging zu Nemo zum Lunch; die Perspektivlinien der
Gehsteige und blendendhel en Schaufensterfassaden zogen sich eng
wie Zugschnüre um ihre aufrechte Gestalt. Der Wald aus schlanken,
gefirnisten Bäumen, den Masten der Segelboote, die hinter den
Verpfählungen vertäut waren, hatte sich gelichtet. Am Ende der
Straße, am Landing Square, bildeten die hohen alten Buchen, die das
kleine granitene Kriegsmahnmal umstanden, eine zartgesponnene,
ragende Wand aus Gelb, die an jeden Windhauch Blätter verlor. Das
Wasser wurde al mählich winterkalt und sein Blau stählerner; die
weißen Holzverschalungen der Häuser hoben sich leuchtend kreidig
dagegen ab, jedes Nagelloch war zu sehen. Diese Schönheit! dachte
Sukie, und es erschreckte sie, daß ihre eigene Schönheit und
Lebendigkeit nicht für immer dazu gehören würden; eines Tages
würde sie weg sein, verschol en, wie ein nicht passendes Teil aus der
Mitte eines Puzzlespiels.
Jane Smart übte Bachs Zweite Suite für Violoncello solo in d-Moll,
mit den kleinen schwarzen Sechzehntelnoten im Präludium, die auf
und nieder hüpfen und wieder auf, mit den Kreuzen und b’s, wie eine
Männerstimme, die sich leicht hebt in der Unterhaltung und mit
denen der alte Bach seine unfehlbare tonale Spannungs-Maschinerie
ankurbelt – Jane hatte es plötzlich satt, diese Noten waren so schwarz
und unbestreitbar und maskulin, die Griffe wurden mit jeder
Transposition des Themas tückischer, und ihn scherte es nicht, diesen
toten alten Lutheraner mit dem vierschrötigen Gesicht und der
Perücke und seinem Gott Dem Herrn und seinem Genie und seinen
zwei Frauen und zwanzig Kindern, ihn scherte es nicht, wie weh ihr
die Fingerkuppen taten, wie sehr ihre gehorsame Seele geschunden
wurde von diesen militärischen Noten, und al es nur, weil er eine
Stimme brauchte nach dem Tod, weil man beitragen mußte zur
Unsterblichkeit dieses Tyrannen. Jäh rebel ierte sie, legte den Bogen
hin, schenkte sich ein kleines Glas trockenen Wermut ein und ging
zum Telefon. Sukie würde mittlerweile von der Arbeit zurück sein
und ihren armen Kindern ein bißchen Erdnußbutter und Marmelade
hinknal en, bevor sie sich zu der für diesen Abend anberaumten
idiotischen Gemeinderatssitzung aufmachte.
«Wir müssen was unternehmen, damit Alexandra auch mal zu Darryl
rüber kann», lautete der Grund ihres Anrufs. «Ich schaute Mittwoch
abend kurz bei ihr rein, obwohl sie es ausdrücklich nicht wol te, sie
war so gekränkt,
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