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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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blaugeäderten
Füße. Aufgerührte Luft schwappte gegen ihre nackten Beine. Sie
wickelte Hose und Turnschuhe zu einem Bündel, ließ Van Horne
stehen und ging auf den Damm. Sie sah sich nicht um, aber sie fühlte
seine Augen auf sich, auf ihren schweren Schenkeln, dem schutzlosen
weichen Wabbeln. Bestimmt hatte er hingesehen mit seinen heißen,
müden Augen, als sie sich vornüberbückte. Alexandra hatte vergessen,
was für Höschen sie am Morgen angezogen hatte, und stel te nach
einem vorsichtigen Blick erleichtert fest, daß es einfache beigefarbene
waren, keine albern geblümten oder unanständig weit
ausgeschnittenen wie die meisten, die man heutzutage in den
Geschäften bekommt und die für schlanke junge Hippies oder
Groupies gedacht sind, der halbe Hintern hängt raus, und der Steg
zwischen den Beinen ist schmal wie eine Schnur. Die Luft, unendlich
hoch, war kühl auf ihrer Haut. Normalerweise genoß sie es, nackt zu
sein, besonders im Freien; sie lag nachmittags gern in der Sonne,
hinten in ihrem Garten, auf einer Wol decke, sowie die ersten
warmen Tage kamen, im April und Mai, wenn es all die Krabbeltiere
noch nicht gab. Und bei Vol mond sammelte sie Kräuter, nackt.
Der Damm war in den Jahren, seit es die Lenox’ nicht mehr gab, so
wenig benutzt worden, daß Gras auf ihm wuchs; barfuß schritt sie auf
dem mähnigen Scheitel wie auf dem Kamm einer weichen, breiten
Mauer. Al e Farbe war aus den Stengeln der spartina patens gewichen,
und die Marschflächen zu beiden Seiten sahen versengt aus. Wo das
erste Wasser über den Weg auf dem Damm kroch, wehte das verfilzte
Gras sanft hin und her in der zol tiefen Durchsichtigkeit. Die Flut
sickerte mit glucksenden, zischenden Geräuschen. Darryl Van Horne
hinter ihr rief ihr irgend etwas nach, Anspornendes oder Warnendes
oder Verzeihenheischendes, aber sie hörte nicht hin, war ganz und gar
beschäftigt mit dem Schock, der sie durchfuhr, als ihre Zehen zum
erstenmal eintauchten. Wie ernst, wie streng die Kälte dieses Wassers
    war! Ein anderes Element, ihr Blut ein Fremdling darin. Braune
Kiesel starrten zu ihr empor, in Brechungen, und sinnlos deutlich wie
die Buchstaben eines Alphabets, das man nicht kennt. Das
Marschgras war zu Seegras geworden, gleichgültig sich den Wellen
überlassend, schwang es nach links mit der steigenden Flut. Ihre Füße
sahen klein aus, verzerrt wie die Kiesel. Sie mußte schnell durchwaten,
solange noch das Gefühl der Taubheit anhielt. Das Wasser stand ihr
jetzt bis zu den Waden, und die trockene Straße war noch weit,
weiter, als sie einen Stein hätte werfen können. Noch zwölf
entsetzliche Schritte, und das Wasser reichte ihr an die Knie, und sie
konnte den Sog dieses bewußtlosen Flutens fühlen. Das Kälteste an
diesem ziehenden Wasser war, daß es immer hier sein würde, einerlei,
ob sie da war oder nicht. Es war hier gewesen, bevor sie geboren war,
und es würde hier sein, wenn sie tot war. Sie fürchtete nicht, daß es
sie zu Fal bringen könnte, aber sie fühlte, wie sie sich gegen seine
Kraft stemmte. Und ihre Knöchel schrien mittlerweile auf, die
Taubheit war durchgebissen, der Schmerz war nicht zu ertragen, nur,
daß er ertragen werden mußte.
Alexandra konnte ihre Füße nicht mehr sehen, und die wogenden
Grasspitzen waren weggetaucht. Sie versuchte zu laufen, das Wasser
spritzte um sie her und übertönte die unverständlichen Worte, die ihr
Gastgeber ihr noch immer nachrief. Die Intensität ihres Blicks
vergrößerte den Subaru. Sie konnte Goals erwartungsvol e Silhouette
auf dem Fahrersitz erkennen, seine Ohren ragten so hoch sie nur
konnten, als er die nahende Erlösung witterte. Das eisige Ziehen stieg
an ihren Schenkeln hoch, Spritzer trafen ihren Slip. Albern, so albern,
so unnütz und kindisch – es geschah ihr recht, sie hatte ihren einzigen
Freund im Stich gelassen, ihren wahren und unkomplizierten Freund.
Hunde kauern an der Schwelle des Verstehens, ihre glänzenden
Augen sind poliert von der Sehnsucht zu begreifen; eine Stunde wiegt
ihnen nicht mehr als eine Minute, sie leben in einer Welt ohne Zeit,
    ohne Beschuldigung, ohne Vermutung, weil es kein Vorherwissen für
sie gibt. Das Wasser mit seinen Eisesklauen stieg ihr bis oben
zwischen die Beine, es preßte ihr einen kleinen Schrei aus der Kehle.
Sie scheuchte den Reiher auf, so nah war sie ihm gekommen; zögernd,
unsicher, wie ein alter Mann, der sich furchtsam auf seinen
Sessellehnen

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