Die Hexen von Eastwick
Publikum ihren
Standpunkt vortrug. Auf dem Höhepunkt ihres Wortschwal s war
eine Handvol Reißzwecken in ihrer Kehle hochgeschwemmt, aber
auch davon hatte sie sich nicht bremsen lassen. Sie spuckte sie sich
rasch in die Hand und warf sie zwischen die brennenden Scheite, die
er aufgeschichtet hatte. Die Reißzwecken zischten leise, ihre bunten
Köpfe wurden schwarz. «Keinen Mut, nicht den mindeften», sagte sie,
holte sich noch eine vereinzelte Reißzwecke aus dem Mund und
schnippte sie zwischen den Ziegeln und dem Kamingitter hindurch
ins Feuer, «aber die ganze Stadt zu einem Denkmal für diesen
gräßlichen Krieg machen, das wil er. Das paßt doch al es irgendwie,
das muß doch, wie sagt man, ein Syndrom sein. Ein betrunkener
Schwächling wil , daß die ganze Welt mit ihm zugrunde geht. Hitler,
an den erinnerst du mich, Clyde. Das war auch so ein Schwächling,
dem die Welt nicht entgegengetreten ist. Aber diesmal werden andere
Saiten aufgezogen.» Die imaginäre Schar war jetzt hinter ihr,
Truppen, die sie anführte. «Wir treten dem Bösen entgegen!» rief sie,
mit den Augen einen Punkt über und hinter seinem Kopf fixierend.
Und sie stand mit gegrätschten Beinen da, für den Fal , daß er
versuchen sol te, sie niederzuschlagen. Er hatte jedoch nur einen
Schritt auf sie zugemacht, weil er zum Feuer wol te, das unter dem
kleinen Reißzweckenhagel zu ersticken drohte. Er zog das Gitter
beiseite und stieß den mit einem Messinggriff versehenen Schürhaken
zwischen die auseinandergefal enen Scheite. Funkenstiebend
schmiegten sie sich wieder aneinander. Er mußte an sich und Sukie
denken: seltsam wohltuend am Sex mit Sukie war, daß ihre Nähe ihn
so schläfrig machte; sobald ihre sanftglatte Haut ihn berührte, kam
eine selige Müdigkeit über ihn, nach lebenslanger Schlaflosigkeit. Vor
dem Liebesakt und danach ruhte ihr nackter Körper so schwerelos an
seiner Seite, daß ihm war, als habe er endlich seinen Platz im Al
gefunden. Al ein der Gedanke an diesen Frieden, den die rothaarige
geschiedene Frau ihm gab, deckte sein Gehirn mit einer barmherzigen
Leere zu.
Einige Minuten vergingen, Felicia hörte nicht auf zu reden. Die
abgrundtiefe Verachtung, die seine Kinder für ihn empfanden, stand
plötzlich in einem Zusammenhang mit seiner kriminel en Passivität,
einfach im Sessel zu sitzen, während ungerechte Kriege, faschistische
Regimes und profitgierige Ausbeuter die Welt verheerten. Der glatte
Griff des Schürhakens war noch in seiner Hand. Felicias Gesicht war
schädelbleich geworden vor Entrüstung; ihre Augen waren wie die
kleinen Flammen von Votivkerzen, die tief in ihren wächsernen
Höhlungen brennen. Ihr Haar war gesträubt zu einem zerrupften,
ausgefransten Heiligenschein. Das Schlimmste war, daß ihr
fortwährend Gegenstände aus dem Mund kamen: Papageienfedern,
tote Wespen, Eierschalen, al es war einem unaufhörlich fließenden
dünnen Brei untergemischt, den sie sich mit den Fingern vom Kinn
wischte, immer wieder, mit einer Bewegung, als spanne sie den Hahn
eines Gewehrs. Er sah ein Zeichen in diesem Hervorquellen: diese
Frau war besessen, sie hatte nichts gemein mit der Felicia, die er in
gutem Glauben geheiratet hatte. «Komm, Lishy», sagte er bittend,
«beruhige dich doch, laß gut sein.» Die chemischen und
mechanischen Prozesse, die ihre Seele ersetzt hatten, überschlugen
sich; in der Trance ihrer Entrüstung sah und hörte sie nichts mehr.
Sie würde noch die Nachbarn aufwecken. Ihre Stimme wurde lauter,
nährte sich unerschöpflich von innen. Er hielt das Glas in der linken
Hand; mit der rechten hob er den Schürhaken und schlug ihn ihr
über den Kopf, um für einen Augenblick den Energiestrom zu
unterbrechen, um das Loch zu stopfen, aus dem sich zu viel ergoß.
Die Knochen ihres Schädels gaben einen überraschend hohen Ton, als
würden spielerisch zwei Hölzer gegeneinandergeschlagen. Ihre
Augäpfel rol ten nach oben, nur das Weiße war noch zu sehen, ihr
Mund öffnete sich, und auf ihrer Zunge lag eine kleine, unglaublich
blaue Feder. Er wußte, daß er einen Fehler machte, aber die Stil e war
ein Himmelsgeschenk. Seine Chemie übernahm jetzt die Regie; er
schlug ihr mit dem Schürhaken auf den Kopf, wieder und wieder,
auch noch, als sie am Boden lag, bis das Geräusch, das die Schläge
machten, etwas Flüssiges hatte und nicht mehr wie das Klacken von
Holz auf Holz klang. Er hatte dieses Loch im kosmischen Frieden für
immer
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