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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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hatten, die für eine Partnerin reserviert waren, erschien Felicia ihm
durchsichtig: das Bild einer Frau, gemalt auf ein Stück Seidenpapier,
das fortwehen konnte. «Die Gegend ist ja nun seit achtzig Jahren kein
Bootsanlegeplatz mehr gewesen. Beim Blizzard von 1888 ist sie total
versandet.» Er empfand unschuldigen Stolz über seine präzisen
Kenntnisse. Früher, als sein Kopf noch klar gewesen war, hatte er sich,
neben der Astronomie, auch für terrestrische Katastrophen
interessiert: Krakatau, das seine höchste Erhebung wegsprengte und
die Erde in vulkanischen Staub hül te; die chinesische
Überschwemmung von 1931, bei der fast vier Mil ionen Menschen
umkamen; das Erdbeben von Lissabon, 1755, das zuschlug, als die
Gläubigen al e in der Kirche waren.
«Aber es war so angenehm», sagte Felicia, mit diesem beiläufigen,
schnellen Lächeln, dem anzumerken war, daß sie ihre Worte für
unwiderlegbar hielt, «dieses Fleckchen dahinten, am Ende der Dock
Street, mit den Bänken für die alten Leute und dem alten Granit-
Obelisken, der überhaupt nicht wie ein Kriegsdenkmal aussieht.»
    «Es könnte auch noch angenehm sein», sagte er zuvorkommend und
fragte sich, ob ein weiterer Fingerbreit Scotch ihm wohl den
Gnadenstoß geben würde für diesen Abend.
«Nein, kann es nicht», sagte Felicia bestimmt und pel te sich aus
ihrem Mantel. Sie trug einen breiten Kupferarmfeif, den Clyde noch
nie vorher gesehen hatte. Er erinnerte ihn an Sukie, die manchmal
ihren Schmuck anbehielt und nichts sonst, und sich nackt, glitzernd
in den dämmrigen Räumen bewegte, in denen sie sich liebten. «Als
nächstes wol en sie die Dock Street und dann die Oak Street und
schließlich das ganze Eastwick umbenennen, nach irgendeinem
nichtsnutzigen Bengel aus der Unterschicht, dem nichts Besseres
eingefal en ist, als rüberzugehen und Napalm auf Dörfer zu
schmeißen.»
«Kazmierczak war eigentlich ein ganz braver Junge. Erinnerst du
dich, vor ein paar Jahren hat er als Verteidiger gespielt und zur
gleichen Zeit eine Auszeichnung bekommen als einer der besten
Schüler. Deswegen ist es den Leuten so zu Herzen gegangen, als er
vorigen Sommer fiel.»
«Na fein, mir ist es nicht zu Herzen gegangen», sagte Felicia und
lächelte, als habe sie den Punkt für sich verbucht. Sie trat ans Feuer,
das er im Kamin angezündet hatte, und wärmte sich die Hände, die
Fausthandschuhe hatte sie inzwischen ausgezogen. Sich halb
abwendend, zupfte sie an ihrem Mund herum, als fussele sie sich ein
Haar von den Lippen. Clyde verstand nicht, wieso ausgerechnet diese
Geste, an die er sich mittlerweile doch gewöhnt hatte, seine Wut
erregte: von al den unangenehmen Eigenschaften, die sie im Laufe
der Jahre hervorgekehrt hatte, konnte dieses Übel ihr am wenigsten
zur Last gelegt werden. Wenn er morgens aufwachte, mit
hämmerndem Kopf, sah er oft Federn, Stroh, Münzen, noch feucht
vom Speichel, an ihrem Kopfkissen kleben, und sein Impuls war, sie
wachzurütteln. «Er ist ja noch nicht einmal hier geboren und
    aufgewachsen», bohrte sie weiter. «Seine Familie ist erst vor fünf
Jahren nach Eastwick gezogen, und sein Vater weigert sich, eine Stelle
anzunehmen, arbeitet bei der Highway Crew mit, aber immer nur so
lange, daß es reicht, um für die nächsten sechs Monate
Arbeitslosenunterstützung zu bekommen. Er war auf der
Versammlung heute abend und hatte einen schwarzen Schlips um,
der über und über mit Ei vol gekleckert war. Die arme Mrs. K., sie
hat versucht, sich so aufzutakeln, daß sie nicht wie eine Nutte
aussieht, aber ich fürchte, es ist ihr mißlungen.»
Felicia hegte eine beträchtliche Liebe für die gesellschaftlich
Benachteiligten, aber sie hatten gefäl igst abstrakt zu bleiben;
begegnete ihr mal ein konkreter Fal , dann neigte sie dazu, sich die
Nase zuzuhalten. Felicia hatte einen faszinierenden Dral , wenn sie so
redete, und Clyde konnte oft nicht widerstehen, ihr einen kleinen
Schubs zu geben, damit sie weitertrudele. «Ich finde, Kazmierczak-
Platz klingt gar nicht so übel», sagte er.
Felicias wütende Knopfaugen blitzten. «Ach, findest du! Du würdest
auch finden, daß Scheißhaus-Platz gar nicht so übel klingt. Du
kümmerst dich einen Dreck darum, was für eine Welt wir unseren
Kindern hinterlassen oder was für Kriege wir unschuldigen Menschen
aufzwingen oder ob wir uns zu Tode vergiften, du selber bist ja schon
mitten dabei, dich zu vergiften, waf kümmert’s dich also, sol

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