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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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gestopft.
Clyde Gabriel empfand eine ungeheure Erleichterung; ihm war, als
sei er aus einer engen Hül e befreit, als sei von seinem schweißnassen
Körper eine Cellophanhaut abgezogen worden wie ein Plastiküberzug
von einem Anzug, der frisch aus der Reinigung kommt. Er nahm
einen Schluck Scotch und vermied es, auf den Boden zu sehen. Er
dachte an die Sterne draußen und an das undurchdringliche Muster,
das sie in dieser Nacht seines Lebens bildeten wie in jeder anderen
Nacht in den Äonen, seit die Galaxis sich verdichtet hatte. Es war
noch viel zu tun, und manches würde sehr schwierig sein, aber eine
wundersam wiedererstandene Perspektive gab al em eine abgezirkelte
Klarheit, als sei er wirklich zurückgekehrt zu jenen il ustrierten
Kinderbüchern, die Felicia so höhnisch heraufbeschworen hatte.
Merkwürdig, daß sie darauf zu sprechen gekommen war; es stimmte,
er hatte die Tage geliebt, an denen er krank war und nicht zur Schule
gehen mußte. Sie kannte ihn zu gut. Ehe ist, wie wenn zwei
Menschen mit ein und demselben Lesestück eingesperrt sind und es
immer wieder lesen, bis die Wörter keinen Sinn mehr haben. Er
meinte ein Wimmern vom Fußboden her zu hören, beschloß jedoch,
daß es nur das Feuer war, das eine kleine Harzader aufschluckte.
Als gewissenhaftes, ordnungsliebendes Kind hatte Clyde Freude an
Architekturzeichnungen gehabt, auf denen man jeden Sims, jeden
Sturz, jedes vorspringende Band sehen konnte und auf denen die
triangulären Verjüngungen der Perspektive deutlich zu erkennen
waren. Mit Lineal und Blaustift hatte er die Perspektivlinien der
    Zeichnungen in Zeitschriften und Comic-Heften bis zum
Fluchtpunkt verlängert, auch wenn der Punkt weit außerhalb der
Seite lag. Daß es einen solchen Punkt gab, war ihm seit jeher ein
angenehmer Gedanke, und vielleicht das erste Mal, daß er den
Betrügereien der Erwachsenen auf die Schliche kam, war, als er
entdeckte, daß manch eine Zeichnung, die so tol aussah, gemogelt
war: sie hatte gar keinen genauen Fluchtpunkt. Jetzt war Clyde selber
an diesem letzten Punkt der Perspektive angekommen, und al es um
ihn war, wie es sein sol te, hel und scharf umrissen. Al es, was
problematisch war – der Anzeiger vom nächsten Mittwoch; die
Vorbereitungen für das nächste Rendezvous mit Sukie, die ewige
Mühe der Liebenden, einen Ort für ihre Zweisamkeit zu finden und
ein Bett, das nicht zu entwürdigend ist, der immer wiederkehrende
Schmerz, sich anziehen und sie verlassen zu müssen; die
Notwendigkeit, mit Joe Marino zu reden wegen der nicht mehr länger
zu übersehenden Altersschwäche des Heizkessels im Keller und der
verrottenden Rohre und Heizkörper; der nicht unähnliche Zustand
seiner Leber und seines Magens; die regelmäßigen
Blutuntersuchungen und die Rücksprachen mit Doc Pat und al die
guten Vorsätze, die er wegen seines jämmerlichen Zustands fassen
mußte und doch nie einhielt; und nun noch die Scherereien mit der
Polizei und dem Gericht – al das war weggefegt, übrig blieben die
Umrisse dieses Zimmers, die Linien der Tischlerarbeit, die klar und
scharf waren wie Laserstrahlen.
Er kippte den Rest aus seinem Glas hinunter. Der Whisky schrapte
an seinen Magenwänden. Felicia hatte unrecht gehabt, er hatte doch
Mut. Als er das Glas auf den Kaminsims stel te, konnte er nicht
umhin, am Rand seines Gesichtsfelds ihre bestrumpften Füße
wahrzunehmen, die ungeschickt abgespreizt waren, als seien sie bei
einem komplizierten Tanz mitten im Schritt angehalten worden. Sie
war eine gelenkige Jitterbuggerin gewesen auf der Warwick High. Der
    wunderbar pumpende Wah-Wah-Big-Band-Sound, den damals jede
kleine Provinzband zustande brachte. Die Spitze ihrer Mädchenzunge
schlüpfte zwischen ihren Zähnen hervor, wenn sie wußte, gleich
würde sie kreiselnd herumgewirbelt werden. Er bückte sich, hob den
Lukrez auf und stellte ihn an seinen Platz im Regal zurück. Er ging in
den Keller und suchte einen Strick. Der schandbare alte Heizkessel
verschlang jaulend sein Öl; sein brüchiger, rostiger Panzer ließ so viel
Wärme durch, daß der Keller der gemütlichste Teil des ganzen
Hauses war. Es gab eine Waschküche hier unten, in der die
vormaligen Besitzer eine alte Bendix-Waschmaschine mit
Trockenwalzen zurückgelassen hatten und einen altmodischen
Petroleumgeruch; auf dem runden Zinkdeckel der Trommel stand
sogar noch ein Korb mit Wäscheklammern. Die Spiele, die er mit
Wäscheklammern gespielt

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