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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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doch
der ganze Erdbal mit zugrunde gehen, daf ift der Standpunkt, auf
dem du stefst.» Ihre Aussprache war nuschelig geworden; sorgfältig
nahm sie sich eine kleine glatte Haarnadel von der Zunge und etwas,
das wie ein Stück Radiergummi aussah.
«Unsere Kinder!» schnaubte er verächtlich. «Als ob die parat
stünden, um von uns die Welt entgegenzunehmen, in welchem
Zustand auch immer.»
Er leerte sein Glas Scotch – ein Schlückchen Rauch und Heide
    zwischen Würfeln aus fluoriertem Wasser. Eis klirrte gegen seine
Oberlippe: er dachte an Sukies Lippen, den kissenweichen Ausdruck
von Vergnügtheit, den sie hatten, auch dann, wenn sie eigentlich
ernst und traurig war. Er machte sie traurig, darunter litt er. Ihr
Lippenstift schmeckte so zart nach Kirsche und hinterließ manchmal
eine kleine Spur auf ihren beiden oberen Schneidezähnen. Er stand
auf, um sein Glas wieder zu fül en, und taumelte. Teile von Sukie –
ihre rundlichen, ebenmäßigen Zehen mit den scharlachrot lackierten
Nägeln, das Halsband aus Kupferhalbmonden, die
blaßorangefarbenen Haartuffs in ihren Achselhöhlen – umflatterten
ihn. Die Flasche stand griffbereit im Regal, unter einer vielbändigen,
einheitlich gebundenen Balzac-Ausgabe, lauter hochkant stehenden
braunen Miniatursärgen.
«Ja, das ist auch etwas, das du nicht verkraften kannst: daß Jenny
und Chris einfach weggegangen sind – als ob man Kinder für al e Zeit
zu Hause halten könnte. Aber die Welt muß sich erneuern, muß
wachsen. Wach auf, Clyde. Du hast gedacht, das Leben würde
genauso sein wie in den Kinderbüchern, mit denen Mommy und
Daddy immer dein Bett vol gerümpelt haben, wenn du krank warst: ‹Der kleine Astronom› und ‹Klassiker für Kinder› und all die Malbücher
mit idiotensicheren niedlichen Umrißlinien und hübschen, spitzen
Buntstiften in schnuckeligen kleinen Schachteln, aber Tatsache ist, sie
ist ein Organismus, Clyde – die Welt ist ein Organismus, sie ist
lebendig, sensibel, veränderlich, sie bewegt sich, Clyde, während du da
drüben hockst und mit deiner dummen kleinen Zeitung spielst, als
wärst du noch immer Mommys Liebling, der das Bett hüten muß.
Deine sogenannte Reporterin Sukie Rougemont war heute abend auf
der Versammlung, ziemlich hochnäsig, soweit man das mit diesem
Schweinchenrüssel überhaupt zuwege bringt, und hat mich mit
diesem Ichweißetwasdasdunichtweißt-Blick bedacht.»
Die Sprache, dachte er, wahrscheinlich ist sie der Fluch, der uns aus
    Eden vertrieben hat. Und wir unterstehen uns und versuchen, sie
diesen armen, gutartigen Schimpansen und grinsenden Delphinen
beizubringen. Der schräggehaltene Hals der Johnny-Walker-Flasche
gluckerte entgegenkommend.
«Bilde dir nicht ein, ooh!» fuhr Felicia fort und stöhnte, vom Strudel
der Wut gepackt. «Bilde dir nicht ein, ich wüßte nicht Bescheid über
dich und dieses Früchtchen, ich kann in dir lesen wie in einem
offenen Buch, vergiß das nicht, du würdest nur zu gern mit ihr ins
Bett gehen, wenn du nur den Mut dazu hättest, aber du hast ihn
nicht, du hast ihn nicht.»
Sukies Bild tauchte vor ihm auf, wie sie verschwommen und sanft
und mit staunend geweitetem Blick unter ihm lag, wenn er sie fickte,
und schwere Süße lahmte seine Zunge, die eben noch hatte
protestieren wol en: Aber ich tue es doch. «Du sitzt hier», redete Felicia weiter, mit einer chemischen
Bösartigkeit, die losgelöst von ihrem Körper war, Mund und Augen
gehorchten einer Besessenheit: «Du sitzt hier und trauerst hinter
Jenny und Chris her, die wenigstens den Mut und den Verstand
hatten, diesem gottverlassenen Nest für immer Adieu zu sagen und
sich ein Leben aus eigener Kraft aufzubauen, da, wo etwas los ist, du
sitzt hier und trauerst ihnen nach, aber weißt du auch, wie sie mit mir
über dich geredet haben? Wil st du es wissen, Clyde? ‹He, Mom›,
sagten sie beispielsweise, ‹wäre es nicht tol , wenn Dad uns verlassen
würde? Aber du weißt ja›, setzten sie dann jedesmal hinzu, ‹er hat
einfach nicht den Mut dazu›.» Und höhnisch, als gebe sie noch immer
den Tonfal anderer wieder: «‹Er hat einfach – nicht den Mut›.»
Ihre Rhetorik war es, dachte Clyde, die alles vollends unerträglich
machte: die kunstvol en Pausen und Wiederholungen, die Art, wie sie
das Wort «Mut» einsetzte und es in ein musikalisches Thema
verwandelte, die Vol mundigkeit, mit der sie ihrem imaginären, bis
    zur al erletzten Tribünenreihe hingerissenen

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