Die Hexen von Eastwick
nächsten Monat brauchte er auch nicht mehr zu bezahlen. Und die
Gasrechnung auch nicht. Gas – andererseits, das peinliche Warten,
bis die Wirkung einsetzte, war unter seiner Würde, und sein letzter
Blick auf die Realität sol te nicht der in einen Gasbackofen sein, er,
Clyde Gabriel, mit dem Kopf im Bratrohr, auf al en vieren, in der
unterwürfigen Haltung eines Hundes, der auf sein Fressen wartet.
Und die Sauerei mit Messern und Rasierklingen in der Badewanne
kam für ihn auch nicht in Frage. Tabletten waren schmerzlos und
ordentlich, aber das war eines von Felicias Anliegen gewesen, dies
modische Dagegensein gegen die pharmazeutische Industrie, die
wol te ihrer Meinung nach nur al es unter Drogen setzen, ganz
Amerika eine Nation von drogenabhängigen Zombies. Clyde lächelte,
die tiefen Falten in seinen Wangen schnitten sich tiefer ein. Manches,
was das alte Mädchen gesagt hatte, war gar nicht so dumm gewesen.
Sie hatte nicht nur Blech geredet. Aber er fand nicht, daß sie recht
hatte mit Jennifer und Chris; er hatte nie damit gerechnet, nie
gewol t, daß sie für al e Zeit zu Hause blieben, er war nur gekränkt,
daß Chris sich so einen unsoliden Beruf wie das Theater ausgesucht
hatte und daß Jenny so weit weggezogen war, es mußte gleich
Chicago sein, und sich von Röntgenstrahlen bombardieren ließ, ohne
Rücksicht auf ihre Eierstöcke, auf seinen Wunsch nach Enkelkindern.
Das hatte sich jetzt auch erledigt, Enkelkinder. Kinder haben, wir
denken, das gehört sich so, weil unsere Eltern auch welche gehabt
haben, aber wenn es vorbei ist, sind sie nichts weiter als Mitglieder der
Gattung Mensch, eine ziemlich enttäuschende Erkenntnis. Jenny und
Chris waren brave, ruhige Kinder gewesen, das hatte auch schon etwas
leicht Enttäuschendes gehabt; indem sie so brav waren, hatten sie
Felicia aus dem Weg gehen können, die, als sie noch jünger war und
noch nicht so auf Menschenliebe festgelegt, fürchterliche
Wutausbrüche gehabt hatte (als Folge von sexuellen Frustrationen
sicherlich, aber wie sol ein Ehemann das machen, die Frau
beschützen und erregen, zur gleichen Zeit), und so war es gekommen,
daß sie auch ihm aus dem Weg gingen. Als Jenny ungefähr neun war,
hatte der Gedanke ans Sterben sie beunruhigt, sie hatte ihn einmal
gefragt, warum er nicht mit ihr betete wie andere Väter, und wenn er
darauf auch nicht viel zu antworten gewußt hatte, so waren sie sich
doch nie nähergekommen als in diesem Augenblick. Er hatte immer
lesen wol en, und sooft sie zu ihm kam, hatte sie ihn gestört. Wenn
Jenny bessere Eltern gehabt hätte, wäre aus ihr ein wunderbares
Mädchen geworden, so helle, klare Augen, ein Gesicht so ebenmäßig
wie auf einer Fotografie, die vom Tisch des Retuscheurs kommt.
Bevor seine kleine Tochter da war, hatte er niemals richtig weibliche
Genitalien gesehen, so süß und rund wie blasse kleine
Zwil ingsbrötchen frisch vom Konditorblech.
Die Stadt war sehr stil geworden um sie, um ihn: kein Auto war
mehr unterwegs auf der Lodowick Street. Der Magen tat ihm weh. Er
tat ihm jeden Abend weh um diese Zeit, ein beginnendes
Magengeschwür. Doc Pat hatte gesagt, wenn Sie schon weitertrinken
müssen, dann essen Sie wenigstens. Eine der weniger angenehmen
Begleiterscheinungen seiner Affäre mit Sukie war, daß er das
Mittagessen ausfal en lassen mußte, um ficken zu können. Sie brachte
manchmal ein Glas Cashewnüsse mit, aber bei seinen schlechten
Zähnen machte er sich nicht mehr so viel aus Nüssen; die Krümel
schoben sich unter die Prothese und schnitten ihm in den Gaumen.
Erstaunlich, wie es den Frauen nie genug ist beim Lieben. Man
kann es noch so gut machen, einen Augenblick später wol en sie
mehr, harter Job, wie Zeitung herausbringen. Sogar Felicia, obwohl
sie doch immer sagte, sie hasse ihn. Sonst saß er abends um diese Zeit
vor dem verlöschenden Feuer und trank noch einen Schluck, bis sie
ins Bett gegangen und, auf ihn wartend, eingeschlafen war. Es dauerte
nicht lange – wenn sie sich leergeredet hatte, fiel sie von einer Minute
zur anderen in den Schlaf der Gerechten. Ihm kam der Gedanke, daß
sie vielleicht hyperglykämisch gewesen war: morgens hatte sie einen
klaren Verstand gehabt und das Gespensterauditorium, vor dem sie
ihre Reden hielt, hatte sich zerstreut. Sie hatte nie begriffen, in was für
eine Wut sie ihn versetzte. Samstag oder Sonntag morgens behielt sie
manchmal ihr Nachthemd an, um ihn zu provozieren,
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