Die Hexen von Eastwick
um Frieden zu
schließen. Man sol te denken, daß ein Mann und eine Frau, die so
viele Stunden ihres Lebens gemeinsam verbringen, Augenblicke
finden, in denen es möglich ist, Frieden zu schließen. Versäumte
Gelegenheiten. Wenn er heute abend durchgehalten und ihr die
Chance gelassen hätte, die Treppe hinaufzugehen… Aber auch diese
Möglichkeit, ebenso wie die, Enkel zu haben und seinen
alkoholzerfressenen Magen zu kurieren, und wie der Kummer mit
seinen Zähnen – al das stand nicht mehr an.
Ihm war, als gebe es ihn mehrfach, Geisterbildern auf dem
Fernsehschirm gleich. Um diese Zeit ging er sonst, eine Sequenz
solcher Geisterbilder, die Treppe hinauf. Die Treppe. Das splissige
alte Seil hing ihm noch schlaff in der Hand. Spinnweben hafteten an
seinen Cordhosen. Herr, gib mir Kraft.
Die Treppe, eine ziemlich pompöse viktorianische Konstruktion,
hatte auf halber Höhe einen Absatz, von wo man in den Garten
hinter dem Haus sah, eine einstmals gepflegte Anlage, die in den
letzten Jahren verwildert war. Wenn man ein Seil an einer Trail e des
Geländers im ersten Stock befestigte, müßte man über den Stufen
darunter, die als Galgenpodest dienen könnten, genug Platz haben. Er
ging mit dem Seil bis ans Ende der Treppe im ersten Stock. Er beeilte
sich, denn er fürchtete, der Alkohol könnte ihn außer Gefecht setzen.
Ein Kreuzknoten war rechts über links und dann links über rechts,
oder wie? Beim ersten Versuch kam ein Altweiberknoten heraus. Es
war schwer, die Hände zwischen die würfelförmigen Sockel der
Trail en zu schieben; er schürfte sich die Knöchel auf. Seine Hände
schienen weit weg von seinen Augen zu sein und es war, als leuchteten
sie, wie in ätherisches Wasser getaucht. Es bedurfte einiger
Rechenkunst zu entscheiden, wo die Schlinge ins Seil gemacht werden
mußte (nicht tiefer als fünfzehn oder zwanzig Zentimeter unterhalb
der schmalen Blende mit den rührend fein gearbeiteten
viktorianischen Hohlkehlen, sonst würde er mit den Füßen
womöglich die Stufen berühren, und das blinde Tier, sein Körper,
ums Überleben kämpfen), und er mußte genau abmessen, wie groß
die Schlinge für seinen Kopf zu sein hatte. Zu weit, und er rutschte
heraus, zu eng, und er strangulierte sich. Die Kunst des Henkers: das
Genick sol brechen durch einen jähen, heftigen Druck auf die
Halswirbel, hatte er gelesen, mehr als einmal in seinem Leben.
Gefängnisinsassen benutzten ihre Gürtel und hingen dann da, mit
blau angelaufenen Gesichtern. Chris war bei den Boy Scouts gewesen,
das war Jahre her, da hatte es einen Skandal um den Scoutmaster
gegeben, und der Stamm war auseinandergebrochen. Clyde brachte
endlich einen schludrigen Laufknoten zustande und ließ die Schlinge
übers Geländer fal en. Er beugte sich über den Handlauf; die
Perspektive bereitete ihm Übelkeit. Das Seil schwang leicht hin und
her, hörte nicht auf, wurde zu einem Pendel, ein ungebetener Luftzug
wehte durch die Ritzen des Hauses.
Clyde war nicht mehr interessiert an dem, was er tat, aber mit der
systematischen Zielstrebigkeit, mit der er 1o ooo Zeitungsausgaben
abgeschlossen hatte, ging er in den warmen Kel er – der alte
Heizkessel mampfmampfte Öl – und holte die Trittleiter aus
Aluminium. Sie war ihm federleicht, Engelsmacht kam über ihn. Er
hatte ein paar Holzreste mit heraufgebracht, und mit ihnen als
Unterlage stellte er die Leiter auf die mit einem Läufer belegte
Treppe; zwei plastikbezogene Füße ruhten auf Klötzen und
Bretterabfal drei Stufen tiefer als die beiden anderen, die trittlosen
kreuzverstrebten Holme standen senkrecht und die ganze schiefe A-
Form würde kippen beim leisesten Stoß. Das letzte, was er sehen
würde, war seiner Einschätzung nach der Vordereingang und die
Lünette aus bleigefaßtem buntem Glas – ihr symmetrisches Muster,
Sonnenaufgangsstrahlen, leuchteten im Natriumschein einer fernen
Straßenlampe. Im Flurlicht sahen die Schrammen auf dem
Aluminium wie Spuren aus, die die Atome auf ihrer Bahn in der
Blasenkammer hinterlassen. Al em war Transparenz gegeben; die
vielen fluchtenden, sich überschneidenden Linien der Treppe waren,
wie der Architekt sie gedacht hatte, und Clyde Gabriel erkannte
hingerissen, daß es keinen Grund gab, sich zu fürchten, natürlich geht
unser Geist durch die Materie hindurch, göttlicher Funke, der er ist,
natürlich würde es ein Leben danach geben mit unendlich vielen
Möglichkeiten, ein Leben, in dem er
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